EEG-Umlage: So führen uns die Regierung, die Stromlobby und industrielle Verbraucher an der Nase rum!
Zuletzt aktualisiert am 4. August 2020 durch Jürgen Voskuhl
Es ist wieder soweit: Jedes Jahr Mitte Oktober lesen wir überall, dass die Strompreise steigen werden und die erneuerbaren Energien, beziehungsweise die deswegen erhobene EEG-Umlage daran Schuld ist. Aber stimmt das eigentlich?
Erfahren Sie in diesem Beitrag, warum die EEG-Umlage wirklich steigt und wer daran Schuld hat.
Die Gazetten sind gerade heute voll von einschlägigen Artikeln, deren wesentlicher Inhalt lautet "Der Strompreis steigt und die EEG-Umlage ist Schuld daran". Stellvertretend hier eine Headline von bild.de vom heutigen Tage:
Erste Zweifel an diesem Narrativ stellen sich ein, sobald man die Entwicklung der EEG-Umlage der Entwicklung des Strompreises gegenüberstellt, wie wir das in der nebenstehenden Grafik getan haben. Man erkennt auf Anhieb, dass der Anstieg des Strompreises über die Jahre erkennbar steiler verläuft als die Erhöhungen der EEG-Umlage im gleichen Zeitraum.
Offensichtlich gibt es also noch andere Strompreis-Komponenten, die zur Erhöhung beitragen (denn sonst müssten beide Linien parallel verlaufen). Doch dazu später mehr.
Die Idee hinter der EEG-Umlage
Lassen Sie uns zunächst klären, wozu die EEG-Umlage eigentlich gedacht ist. Hilfreich ist hier die Definition, die man auf der Webseite der Bundesnetzagentur findet. Der Kernsatz lautet
Mit der EEG-Umlage wird der Ausbau der Erneuerbaren Energien finanziert.
Weiter heißt es:
Betreiber von Erneuerbare Energien-Anlagen, die Strom in das Netz der öffentlichen Versorgung einspeisen, erhalten dafür eine festgelegte Vergütung. Die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) verkaufen den eingespeisten Strom an der Strombörse (Anm.: seit dem 1.1.2010). Da die Preise, die an der Börse erzielt werden, unter den gesetzlich festgelegten Vergütungssätzen liegen, wird den ÜNB der Differenzbetrag erstattet.
Alternativ kann der produzierte Strom direkt vermarktet werden (Anm.: seit dem 1.1. 2012). Über das Marktprämienmodell wird der Unterschied des an der Börse erzielten Preises und der Einspeisevergütung durch eine Marktprämie ausgeglichen. Um einen Wechsel möglichst vieler EEG-Anlagen in die Direktvermarktung anzureizen, wird zusätzlich eine Managementprämie gezahlt.
In anderen Worten: Die Auszahlungen an die EE-Anlagenbetreiber übersteigen die Einnahmen aus dem Verkauf der Strommengen teilweise um ein Vielfaches. Dieser Differenzbetrag wird durch die EEG-Umlage auf alle Stromverbraucher umgelegt.
Schauen wir uns als nächstes die Entwicklung der EEG-Umlage im Verhältnis zu den an die Anlagenbetreiber ausgezahlten Erlöse an:
Zur Erläuterung:
- Einspeisevergütung (§21 EEG 2017): Fixe (garantierte) Vergütung für Leistung, die der Anlagenbetreiber in das Stromnetz einspeist
- Marktprämie (§ 20 EEG): Die Marktprämie der Ausgleich für die Differenz zwischen dem Großhandelspreis für Strom und der anlagenspezifischen Förderhöhe. Die Marktprämie wird vom Verteilnetzbetreiber an Anlagenbetreiber ausgezahlt, die nicht mehr die fixe EEG-Vergütung in Anspruch nehmen, sondern sich für einen Wechsel in die Direktvermarktung entschieden haben oder sogar verpflichtet sind, ihren Strom direkt zu vermarkten.
- Managementprämie (ab 2012): Die Managementprämie fängt Mehraufwand und Vermarktungsrisiken auf Anlagenbetreiberseite ab.
- Flexibilitätsprämie (§§ 50a u. 50b EEG, ab 2012): Die Flexibilitätsprämie wurde für Betreiber von Biogasanlagen und Biomethananlagen geschaffen. Das Ziel der Flexibilitätsprämie ist es, den Anteil an regelbarer Stromproduktion zu erhöhen, um möglichst dann viel Strom aus erneuerbaren Energien zu produzieren, wenn die Stromnachfrage hoch ist.
Insgesamt fällt zunächst das "Auseinanderdriften" der EEG-Umlage und der an die Anlagenbetreiber ausgezahlten Erlöse auf. So hat sich beispielsweise zwischen 2009 und 2017 die EEG-Umlage verfünffacht, die Erlöse für die Anlagenbetreiber haben sich dagegen im gleichen Zeitraum nur verdreifacht.
Was außerdem ins Auge springt, ist ein steiler Anstieg der EEG-Umlage in den Jahren 2010 und 2011, bzw. 2013 und 2014. Was also sind die Ursachen hierfür?
Wie bereits oben erwähnt, vermarkten die ÜNB seit 2010 den vom Betreiber der EE-Anlage gelieferten Strom an der Strombörse in Leipzig (EPEX). Der Anlagenbetreiber erhält für den von ihm produzierten Strom eine fixe Vergütung. Durch den zunehmenden Anteil von Strom aus erneuerbaren Energien sinkt der Marktpreis insgesamt. Das ist nicht wirklich überraschend: Börsenpreise sinken nun mal, wenn das Angebot steigt.
Die Differenz zwischen den ausgezahlten Vergütungen und den Vermarktungseinnahmen sowie die Kosten der Marktprämie werden über die EEG-Umlage bundesweit gewälzt.
Sinkende Marktpreise für Strom führen also zu einer Erhöhung der EEG-Umlage!
Dieser Effekt, auch "EEG-Paradoxon" genannt, hat maßgeblich zu den Erhöhungen der EEG-Umlage seit 2010 beigetragen. Man könnte also folgern, dass die zugrunde liegende "Verordnung zur Weiterentwicklung des bundesweiten Ausgleichsmechanismus" (AusglMechV) schlichtweg nicht wirklich zu Ende gedacht war. Aber dem ist nicht so!
Strategische Planung statt Dilettantismus
Im Vorfeld dieser Verordnung haben sich nämlich die beiden Lobbyverbände BDEW und BNE (Bundesverband Neue Energiewirtschaft) vehement für eine “Reform des Ausgleichmechanismus“ eingesetzt und diese forciert. Primäres Ziel: Die großen Stromerzeuger sollten auch in der Zukunft die Zügel in der Hand behalten. Mit Hilfe der FDP (über das Vehikel einer kleinen Anfrage) hat dies dann letztendlich auch geklappt: Der Kostenwälzungsmechanismus wurde geändert und führt seitdem zu einer höheren EEG-Umlage, ohne das die Anlagenbetreiber einen Nutzen davon haben.
In den Medien werden die erneuerbaren Energien mit Verweis auf die EEG-Umlage stets als "teuer" dargestellt. Die eigentliche Ursache der Erhöhungen der EEG-Umlage, nämlich die von der Stromlobby forcierte Verordnung aus 2009, wird dagegen komplett verschwiegen!
Zahlen wirklich alle Letztverbraucher EEG-Umlage?
Die Antwort auf diese Frage lautet ganz klar: Nein!
Hinter der Bezeichnung „Besondere Ausgleichsregelung" (BesAR) verbirgt sich ein Mechanismus, der Firmen mit hohem Energiebedarf entlasten und ihnen helfen soll, im internationalen Wettbewerb zu bestehen. Unternehmen, bei denen die Energie einen hohen Anteil der Kosten ausmacht, erhalten einen Nachlass oder sogar eine komplette Befreiung von der EEG-Umlage – das hängt von der Höhe ihres jeweiligen Stromverbrauchs ab.
Was sich zunächst nach einer sinnvollen Regelung anhört, ist inzwischen zu einer gewaltigen Umverteilungsmaschinerie verkommen!
Die Liste berechtigter Unternehmen wurde über die Jahre nämlich mehrfach erweitert. Insbesondere die EEG-Novelle 2012 spielte hier eine signifikante Rolle: waren es bis dahin nur wenige hundert Unternehmen, die eine Reduzierung/Befreiung von der EEG-Umlage beantragt hatten, stieg deren Zahl in 2013 auf 1.729 Unternehmen und überschritt im Folgejahr erstmals die 2.000er-Marke.
Für 2020 haben erneut über 2.000 Unternehmen eine Reduzierung/Befreiung von der EEG-Umlage beantragt. Die insgesamt betroffene Strommenge liegt - wie bereits im vergangenen Jahr - bei rund 120 Terawattstunden. Das entspricht einem Fünftel des gesamten Bruttostromverbrauchs in Deutschland!
Wer profitiert von der BesAR?
Zu den sogenannten "privilegierten Unternehmen" gehören inzwischen unter anderem Schlachtereien und fleischverarbeitende Unternehmen, Futtermittelhersteller, Kartoffelverarbeitungsbetriebe, Hersteller von Plastikverpackungen, Molkereien, Großbäckereien, Süßwaren- und Getränkehersteller und sogar die Zugspitzbahn - insgesamt also Unternehmen, bei denen nicht auf Anhieb erkennbar ist, inwiefern diese "in internationalem Wettbewerb stehen".
Die BesAR-Entlastung der priviliegierten Unternehmen betrug zuletzt 6,5 Milliarden € - ein Betrag, den die verbleibenden Stromkunden (also Haushalte und nicht privilegierte Unternehmen) aufbringen müssen. Dies erfolgt über eine zusätzliche Erhöhung der EEG-Umlage.
Bei Energieeinsparung droht Strafe!
Ein weiterer Aspekt ist der Mechanismus der Rabattierung: das Einsparen von Energie kann dazu führen, dass das betreffende Unternehmen nicht mehr den Genuss der Entlastung kommt. Die Unternehmen werden also quasi bestraft, wenn Sie Energie (und damit Emissionen) einsparen.
Die Regelungen der BesAR bestrafen Unternehmen, wenn sie Energie einsparen und verhindern dadurch die Reduzierung von CO2-Emmissionen.
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Weitere Einflussfaktoren
Wie wir bereits bei der Gegenüberstellung von Strompreis und EEG-Umlage gesehen haben, ist die Erhöhung der EEG-Umlage nicht der einzige Treiber bei der Entwicklung des Strompreises. Lassen Sie uns daher schauen, wie sich der Strompreis insgesamt zusammensetzt. Hilfreich ist da eine Grafik des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW):
Schnell wird offensichtlich, das der Anteil der EEG-Umlage am gesamten Strompreis gerade mal 21% beträgt, also etwas mehr als ein Fünftel!
23,2% entfallen auf Strombeschaffung und -vertrieb. Was neben Steuern, sonstigen Abgaben und Umlagen ins Auge springt, sind die sogenannten Netzentgelte. Sie machen fast ein weiteres Viertel des Strompreises aus, genau 23,3%.
Engpassmanagement ist ein weiterer Kostentreiber
Was sich hinter den Netzengelten verbirgt und welche Mechanismen dort wirken, erfahren Sie detailliert in diesem Beitrag. Kurz gesagt erfordern Engpässe im Stromnetz aktive Eingriffe ( Engpassmanagement) durch die ÜNB. Hierbei werden Kraftwerke rauf- oder runtergefahren, ggf. wird Strom am Spot-Markt zugekauft. All das treibt die Netzentgelte in die Höhe - zugunsten der großen Kraftwerks- und der Übertragungsnetzbetreiber.
Alles auf einen Blick
Die nachfolgende Grafik des BDEW zeigt die Entwicklung verschiedener Faktoren über die Zeit:
Was man sehr gut erkennen kann:
- Der Strompreis an der Börse ist ab der 2. Hälfte 2009 (also kurz nach Verabschiedung der (AusglMechV) massiv eingebrochen.
- Oberhalb der gestrichelten Linie innerhalb des grünen Blocks EEG-Umlage kann man recht anschaulich den Anteil der EEG-Umlage erkennen, den die übrigen - nicht privilegierten - Vebraucher nur wegen der BesAR zahlen.
- Lag die durchschnittliche Preissteigerung für das Produkt Strom in den Jahren 2000 und 2013 (in diesen Zeitraum fallen auch die AusglMechV und die Novellierung der BesAR) noch bei 6,2 % jährlich, so liegt diese seitdem bei nur noch 0,7% jährlich - und damit unterhalb der Inflationsrate!
- Der Block Netzentgelte vergrößert sich über die Zeit langsam, aber stetig.
Neue Studie: EEG-Umlage hat den Strompreis vergünstigt - und nicht verteuert!
Zum Abschluss möchte ich noch auf eine aktuelle Studie hinweisen: Forscher der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg haben bereits 2015 rekonstruiert, wie sich die Preise an der Strombörse entwickelt hätten, wenn dort kein Ökostrom eingespeist worden wäre. Im Rahmen einer Folgestudie wurden die Werte nun bis einschließlich 2018 aktualisiert. Insgesamt kommen die Forscher zu dem Schluss, das Strom aus erneuerbaren Energien bis dahin bereits 70 Milliarden Euro eingespart hat!
Aber wo sind diese 70 Millarden Euro gelandet? Die Antwort finden Sie in diesem Beitrag auf klimareporter.de.
Fazit
- Sinkende Marktpreise für Strom führen zu einer Erhöhung der EEG-Umlage
- Die EEG-Umlage wird primär von privaten Haushalten und kleineren Unternehmen gezahlt, Großverbraucher erhalten aufgrund der BesAR erhebliche Rabatte oder sind vollkommen von der Zahlung befreit - was zu einer weiteren Erhöhung der EEG-Umlage führt.
- Unternehmen, die aufgrund der BesAR eine reduzierte oder gar überhaupt keine EEG-Umlage zahlen, werden unter Umständen bestraft, wenn sie Energie einsparen
- Strompreiserhöhungen sind auch auf steigenden Kosten für das Engpassmanagement zurückzuführen
- Strom aus erneuerbaren Energien trägt zur Senkung der Stromkosten bei - leider nicht für alle Verbraucher
Quellen:
BMWI: "EEG in Zahlen: Vergütungen, Differenzkosten und EEG-Umlage 2000 bis 2019"
Wikipedia: Direktvermarktung erneuerbarer Energien, abgerufen am 15. Oktober 2019
BDEW: Strompreisanalyse Juli 2019
Julia Verlinden (Energiepol. Sprecherin Bündnis 90/Die Grünen): Strompreis-Rabatte auch 2020 auf Rekordniveau - Verbraucher zahlen Milliarden
BMWI/Clearingstelle EEG|KWKG: Ausgleichsmechanismusverordnung (AusglMechV) - Urfassung - Rechtsetzungsverfahren
klimareporter.de: Ökostrom sparte 70 Milliarden ein – für wen?
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