Zuletzt aktuaÂliÂsiert am 4. OktoÂber 2020 durch JürÂgen Voskuhl
Die NatioÂnaÂle WasÂserÂstoffÂstraÂteÂgie wirft einiÂge FraÂgen auf.
Ich bin dieÂsen nachÂgeÂganÂgen und habe verÂsucht AntÂworÂten zu finden.
Am Ende meiÂner RecherÂche habe ich jedoch immer noch FraÂgen – und mehÂreÂre Handlungsempfehlungen.
AußerÂdem habe ich für Euch die FahrtÂkosÂten verÂschieÂdeÂner AntriebsÂsysÂteÂme mitÂeinÂanÂder verglichen.
In dieÂsem BeiÂtrag geht es um folÂgenÂde TheÂmen und Fragestellungen:
- Wofür braucht man Wasserstoff?
- Die WasÂserÂstoff-FarbÂpaÂletÂte
- Die HerÂleiÂtung der WasÂserÂstoffÂstraÂteÂgie ist unklar
- WarÂum ist WasÂserÂstoff für indiÂviÂduÂelÂle MobiÂliÂtät nicht sinnvoll?
- Wie kommt der WasÂserÂstoff aus MarokÂko nach Deutschland?
- Woher kommt der grüÂne Strom in Deutschland?
- MogelÂpaÂckung „BlauÂer Wasserstoff“
- Fazit
- OffeÂne Fragen
- Update vom 04. OktoÂber 2020
Wofür braucht man Wasserstoff?
First things first: Wofür braucht man eigentÂlich WasÂserÂstoff? Die BunÂdesÂreÂgieÂrung beantÂworÂtet die FraÂge hinÂsichtÂlich der EinÂsatzÂmögÂlichÂkeiÂten des farb- und geruchÂloÂsen Gases folgendermaßen:
WasÂserÂstoff bieÂtet vieÂle EinÂsatzÂmögÂlichÂkeiÂten in der zenÂtraÂlen und dezenÂtraÂlen StromÂerzeuÂgung. Er kann aber auch für das BetreiÂben von FahrÂzeuÂgen, für die HerÂstelÂlung alterÂnaÂtiÂver KraftÂstofÂfe, BrennÂstofÂfe und Gase, zur LangÂzeitÂspeiÂcheÂrung sowie als RohÂstoff für indusÂtriÂelÂle (insÂbeÂsonÂdeÂre cheÂmiÂsche) ProÂzesÂse einÂgeÂsetzt werden.
NachÂzuÂleÂsen ist das übriÂgens auf dieÂser SeiÂte:
Und damit sind wir auch schon mitÂten im TheÂma: Am 10. Juni hat die BunÂdesÂreÂgieÂrung ihre NatioÂnaÂle WasÂserÂstoffÂstraÂteÂgie vorgestellt.
In dieÂsem ZusamÂmenÂhang hat außerÂdem BunÂdesÂentÂwickÂlungsÂmiÂnisÂter Gerd MülÂler verÂkünÂdet, das DeutschÂland eine PartÂnerÂschaft einÂgeÂganÂgen ist, um "gemeinÂsam mit MarokÂko die ersÂte indusÂtriÂelÂle AnlaÂge für grüÂnen WasÂserÂstoff in AfriÂka" zu entwickeln.
Die WasÂserÂstoff-FarbÂpaÂletÂte
Wenn Du den Begriff WasÂserÂstoff schon mal gehört hast, wurÂde der verÂmutÂlich in VerÂbinÂdung mit einer FarÂbe genannt. Was hat es also mit den FarÂben auf sich?
Auch das erklärt die BunÂdesÂreÂgieÂrung auf der oben genannÂten WebÂseiÂte sehr anschaulich:
GrüÂner WasÂserÂstoff wird durch ElekÂtroÂlyÂse von WasÂser herÂgeÂstellt. Bei grüÂnem WasÂserÂstoff kommt der Strom für die ElekÂtroÂlyÂse ausÂschließÂlich aus erneuÂerÂbaÂren EnerÂgien. Dadurch ist der einÂgeÂsetzÂte Strom COâ‚‚-frei und somit auch die ProÂdukÂtiÂon von WasÂserÂstoff. Das ist unabÂhänÂgig von der verÂwenÂdeÂten Elektrolysetechnologie.
Bei grauÂem WasÂserÂstoff ist der AusÂgangsÂstoff ein fosÂsiÂler BrennÂstoff. In den meisÂten FälÂlen wird die MethoÂde der „DampfÂreÂforÂmieÂrung“ angeÂwenÂdet. HierÂbei wird ErdÂgas unter dem EinÂsatz von HitÂze in KohÂlenÂstoffÂdiÂoxid (COâ‚‚) und WasÂserÂstoff umgeÂwanÂdelt. Da das entÂstanÂdeÂne COâ‚‚ hierÂbei ungeÂnutzt in die AtmoÂsphäÂre abgeÂgeÂben wird, wird dadurch der TreibÂhausÂefÂfekt verÂstärkt. Pro TonÂne so proÂduÂzierÂtem WasÂserÂstoff entÂsteÂhen alleiÂne zehn TonÂnen COâ‚‚.
Bei blauÂem WasÂserÂstoff hanÂdelt es sich im GrunÂde um grauÂen WasÂserÂstoff. Jedoch wird bei blauÂem WasÂserÂstoff das durch die DampfÂreÂforÂmieÂrung entÂstanÂdeÂne COâ‚‚ gespeiÂchert. DieÂse SpeiÂcheÂrung wird auch „CCS“ genannt, von dem EngÂliÂschen „CarÂbon CapÂtuÂre and StoÂrage“. Das bei der ProÂdukÂtiÂon entÂstanÂdeÂne COâ‚‚ gelangt also nicht in die AtmoÂsphäÂre und dadurch kann dieÂse Art der WasÂserÂstoffÂproÂdukÂtiÂon bilanÂziÂell als COâ‚‚-neuÂtral betrachÂtet werden.
TürÂkiÂser WasÂserÂstoff wird über die therÂmiÂsche SpalÂtung von Methan gewonÂnen. DieÂses VerÂfahÂren wird auch als MethanÂpyÂroÂlyÂse bezeichÂnet. AnstelÂle von COâ‚‚ entÂsteht hierÂbei ein fesÂter KohÂlenÂstoff. Um dieÂse Art der ProÂdukÂtiÂon COâ‚‚-neuÂtral zu gestalÂten, ist sowohl die WärÂmeÂverÂsorÂgung des HochÂtemÂpeÂraÂturÂreÂakÂtors aus erneuÂerÂbaÂren EnerÂgien, als auch die dauÂerÂhafÂte BinÂdung des entÂsteÂhenÂden KohÂlenÂstoffs notwendig.
Da COâ‚‚-EmisÂsioÂnen unbeÂdingt zu verÂmeiÂden sind, kommt grauÂer WasÂserÂstoff (der bereits heuÂte in der IndusÂtrie einÂgeÂsetzt wird) offenÂsichtÂlich nicht in Betracht (blauÂer WasÂserÂstoff auch nicht, aber dazu später).
IdeÂal ist dageÂgen grüÂner WasÂserÂstoff, da desÂsen HerÂstelÂlung komÂplett COâ‚‚-frei ist.
HerÂleiÂtung der WasÂserÂstoffÂstraÂteÂgie unklar
Um den HinÂterÂgrund der WasÂserÂstoffÂstraÂteÂgie zu verÂsteÂhen und einÂschätÂzen zu könÂnen, wäre es hilfÂreich wenn man wüssÂte, auf welÂchen StuÂdiÂen dieÂse basiert. HierÂzu schweigt sich die BunÂdesÂreÂgieÂrung aber leiÂder aus. Ein HinÂterÂgrundÂpaÂpier zur WasÂserÂstoffÂstraÂteÂgie wäre hilfreich.
Sucht man nach aktuÂelÂlen DokuÂmenÂten vom WisÂsenÂschaftÂliÂchen Dienst der BunÂdesÂreÂgieÂrung zum TheÂma WasÂserÂstoff, stößt man unweiÂgerÂlich auf das DokuÂment „KosÂten der ProÂdukÂtiÂon von grüÂnem WasÂserÂstoff“ vom 3. April 2020. DieÂses DokuÂment verÂweist wieÂderÂum auf mehÂreÂre andeÂre StuÂdiÂen, die ihrerÂseits wieÂderÂum auf weiÂteÂre StuÂdiÂen verÂweiÂsen. Kurz gesagt: da hat einer vom andeÂren abgeschrieben.
Ich habe die ZusamÂmenÂhänÂge zwiÂschen einiÂgen (für unseÂre ZweÂcke releÂvanÂten) StuÂdiÂen in der nachÂfolÂgenÂden GraÂfik verÂanÂschauÂlicht. Links zu den StuÂdiÂen finÂden sich am Ende dieÂses Beitrags.
WarÂum ist WasÂserÂstoff für indiÂviÂduÂelÂle MobiÂliÂtät nicht sinnvoll?
Die BunÂdesÂreÂgieÂrung schreibt, dass man WasÂserÂstoff auch „für das BetreiÂben von FahrÂzeuÂgen“ verÂwenÂden will. DieÂser Satz, das Bild auf der WebÂseiÂte (sieÂhe oben) ebenÂso wie ein PresÂseÂfoÂto von Peter AltÂmaiÂer in einem WasÂserÂstoff-PKW könnÂten den BetrachÂter zu der AnnahÂme verÂleiÂten, dass dies auch in VerÂbinÂdung mit indiÂviÂduÂelÂler MobiÂliÂtät ein TheÂma ist.
Aber weit gefehlt: WasÂserÂstoff-PKW (ebenÂso wie alle synÂtheÂtiÂschen KraftÂstofÂfe) werÂden in der LandÂschaft des deutÂschen IndiÂviÂduÂalÂverÂkehrs höchsÂtens eine unterÂgeÂordÂneÂte RolÂle spieÂlen. Der Grund ist sehr einÂfach: WasÂserÂstoff als TreibÂstoff ist einÂfach zu ineffizient!
Um einen PKW 100 km weit fortÂzuÂbeÂweÂgen, benöÂtigt man 11,6 kWh – an den Rädern, wohlÂgeÂmerkt. Die beiÂden sich darÂaus ergeÂbenÂden Fragen:
- WieÂviel vom jeweiÂliÂgen KraftÂstoff (abhänÂgig von der AntriebsÂart) muss ich in den Tank (bezieÂhungsÂweiÂse die BatÂteÂrie) füllen?
- WieÂviel PriÂmärÂenerÂgie muss dafür aufÂgeÂwenÂdet werden?
Genau dieÂse beiÂden FraÂgen beantÂworÂtet die nachÂfolÂgenÂde Grafik.
BitÂte beachÂtet, dass mit einem modelÂlierÂten FahrÂzeug gerechÂnet wurÂde. Das bedeuÂtet, dass zum BeiÂspiel der tatÂsächÂliÂche EnerÂgieÂbeÂdarf reaÂler FahrÂzeuÂge abweicht.
Fazit 1: Den geringsÂten EnerÂgieÂbeÂdarf hat offenÂsichtÂlich das batÂteÂrieÂelekÂtriÂsche Fahrzeug.
Die nächsÂte FraÂge, die sich autoÂmaÂtisch stellt: Was kosÂtet es mich, mit einem entÂspreÂchenÂden FahrÂzeug 100 KiloÂmeÂter zu fahÂren? Dazu muss man die die KraftÂstoffÂpreiÂse sowie die jeweils benöÂtigÂte MenÂge berückÂsichÂtiÂgen. Ich habe das für Euch in der nachÂsteÂhenÂden TabelÂle mal zusammengefasst.
Preis /​ kWh | Preis /​ 100 km | |
---|---|---|
BatÂteÂrieÂelektr. FahrÂzeug, StromÂmix aus dem öffentÂliÂchen StromÂnetz | 30 Ct. | 4,29 € |
BatÂteÂrieÂelektr. FahrÂzeug, Strom von der eigeÂnen PhoÂtoÂvolÂtaÂik-AnlaÂge m. SpeiÂcher | 26 Ct. | 3,72 € |
FahrÂzeug m. BrennÂstoffÂzelÂle, WasÂserÂstoff v. TankÂstelÂle (33,3 kWh/​kg; Preis pro kg ca. 9,50 €) | 29 Ct. | 5,91 € |
FahrÂzeug m. DieÂselÂmoÂtor, DieÂsel v. TankÂstelÂle (9,8 kWh/​l bei 1,14 €/​l) | 12 Ct. | 5,42 € |
Fazit 2: Die niedÂrigsÂten KosÂten für eine StreÂcke von 100 KiloÂmeÂtern verÂurÂsacht ein batÂteÂrieÂelekÂtriÂsches FahrÂzeug, welÂches mit Strom von der eigeÂnen PhoÂtoÂvolÂtaÂikÂanÂlaÂge betankt wird. Der UnterÂschied ist gravierend!
AntrieÂbe auf Basis von WasÂserÂstoff und BrennÂstoffÂzelÂle haben nur dort eine DaseinsÂbeÂrechÂtiÂgung, wo Gewicht oder enorÂme ReichÂweiÂte eine RolÂle spieÂlen, wie das beiÂspielsÂweiÂse bei FlugÂzeuÂgen oder SchifÂfen der Fall ist.
AntrieÂbe auf Basis von WasÂserÂstoff und BrennÂstoffÂzelÂle haben nur dort eine DaseinsÂbeÂrechÂtiÂgung, wo Gewicht oder enorÂme ReichÂweiÂte eine RolÂle spielen.
Wegen der begrenzÂten ReichÂweiÂte und LebensÂdauÂer einer FahrÂzeugÂbatÂteÂrie hatÂte man noch vor einem Jahr auch BrennÂstoffÂzelÂlenÂauÂtos im Blick.
Doch neuÂesÂte EntÂwickÂlunÂgen verÂdränÂgen dieÂse TechÂnoÂloÂgie komÂplett. So hat etwa der HerÂstelÂler TesÂla unlängst eine neue BatÂteÂrie mit einer LebensÂdauÂer von 16 JahÂren, bezieÂhungsÂweiÂse 2 MilÂlioÂnen KiloÂmeÂter angeÂkünÂdigt.
SinnÂgeÂmäß gilt das auch für LKW: In einer StuÂdie verÂgleicht das Öko-InstiÂtut verÂschieÂdeÂne AntriebsÂopÂtioÂnen für LKW.
Das ErgebÂnis: LKW mit batÂteÂrieÂelekÂtriÂschen Antrieb (gegeÂbeÂnenÂfalls mit UnterÂstütÂzung von OberÂleiÂtunÂgen zur ErhöÂhung der ReichÂweiÂte) erreiÂchen mit deutÂliÂchem Abstand den höchsÂten Wirkungsgrad.
Die ErkenntÂnis, dass für „das BetreiÂben von FahrÂzeuÂgen“ vorÂausÂsichtÂlich kaum WasÂserÂstoff benöÂtigt wird, wirft die FraÂge auf, wie denn die BunÂdesÂreÂgieÂrung den der StraÂteÂgie zugrunÂde lieÂgenÂden WasÂserÂstoffÂbeÂdarf ermitÂtelt hat.
HierÂzu werÂfen wir einen Blick in die StuÂdie „InteÂgrierÂtes EnerÂgieÂkonÂzept 2050 (Strom WärÂme VerÂkehr IndusÂtrie)“, die aus dem Jahr 2018 stammt und auf die in einer StuÂdie der NOW GmbH (beaufÂtragt durch das BunÂdesÂmiÂnisÂteÂriÂum für VerÂkehr und digiÂtaÂle InfraÂstrukÂtur, BMVI) verÂwieÂsen wird.
In dieÂser StuÂdie sind verÂschieÂdeÂne SzeÂnaÂriÂen defiÂniert. AufÂgrund der MarktÂentÂwickÂlunÂgen, welÂche auch der BunÂdesÂreÂgieÂrung nicht verÂborÂgen geblieÂben sein dürfÂten, interÂesÂsiert uns vor allem das SzeÂnaÂrio S₉₀-OLKW/BEV, in welÂchem 90% COâ‚‚-RedukÂtiÂon in 2050 mit einem erhöhÂten Anteil batÂteÂrieÂelekÂtriÂscher AntriebsÂkonÂzepÂte einÂschließÂlich batÂteÂrieÂelekÂtriÂscher LKW zugrunÂde gelegt ist. In der nachÂfolÂgenÂden GraÂfik sind das die beiÂden DiaÂgramÂme ganz unten. Das linÂke DiaÂgramm zeigt die KraftÂstoff-VerÂteiÂlung für PKW, rechts entÂspreÂchend für LKW.
OffenÂsichtÂlich geht das BMVI – und damit wohl auch die BunÂdesÂreÂgieÂrung – im JahÂre 2050 von einem WasÂserÂstoffÂanÂteil (bezoÂgen auf die JahÂresÂfahrÂleisÂtung) von ca. knapp 50% bei PKW und ca. 65% bei LKW aus!?
Das ist vor dem HinÂterÂgrund der aktuÂelÂlen EntÂwickÂlunÂgen im Markt vollÂkomÂmen unrealistisch!
Im SekÂtor VerÂkehr ist ein WasÂserÂstoffÂanÂteil von 50 – 60 ProÂzent vollÂkomÂmen unrealistisch!
Da der Anteil des SekÂtors VerÂkehr am gesamÂten PriÂmärÂenerÂgieÂbeÂdarf erhebÂlich ist (>25%), hätÂte eine AnpasÂsung des WasÂserÂstoffÂbeÂdarfs an dieÂser StelÂle einen wesentÂliÂchen EinÂfluss auf die insÂgeÂsamt in DeutschÂland benöÂtigÂte MenÂge WasÂserÂstoff. Der Umfang, in dem wir WasÂserÂstoff imporÂtieÂren müsÂsen, würÂde sich dadurch deutÂlich reduÂzieÂren. EvenÂtuÂell ist ein Import sogar nur wähÂrend einer ÜberÂgangsÂzeit oder auch gar nicht erforÂderÂlich. EntÂspreÂchend muss die DatenÂgrundÂlaÂge zeitÂnah überÂprüft werden.
Import: Wie kommt der marokÂkaÂniÂsche WasÂserÂstoff nach Deutschland?
Aber bleiÂben wir noch einen AugenÂblick beim Import von WasÂserÂstoff. Die AntÂwort auf die FraÂge, wie denn der marokÂkaÂniÂsche WasÂserÂstoff zu uns kommt, bleibt uns die BunÂdesÂreÂgieÂrung schuldig.
In der NatioÂnaÂlen WasÂserÂstoffÂstraÂteÂgie ist ledigÂlich die Rede von „der ErproÂbung von ImportÂrouÂten und ‑techÂnoÂloÂgien“. Mit andeÂren WorÂten: man weiß es noch nicht.
Der Import von WasÂserÂstoff aus der MENA-RegiÂon verÂurÂsacht nicht unerÂhebÂliÂche Transportkosten.
Da man heuÂte nicht mit SicherÂheit sagen kann, ob, wie lanÂge und in welÂchem Umfang grüÂner WasÂserÂstoff imporÂtiert werÂden muss, bieÂtet sich aufÂgrund der FleÂxiÂbiÂliÂtät der SchiffsÂtransÂport an, der jedoch nicht unerÂhebÂliÂche TransÂportÂkosÂten verursacht.
DieÂse ÜberÂleÂgung wird auch durch eine StuÂdie von GreenÂpeace EnerÂgy gestützt.
Die StuÂdie kommt übriÂgens zu dem Schluss, dass imporÂtierÂter WasÂserÂstoff keiÂne KosÂtenÂvorÂteiÂle bieÂtet. NachÂfolÂgend der korÂreÂsponÂdieÂrenÂde AusÂschnitt aus der StuÂdie. Ich habe für Euch die beiÂden wichÂtiÂgen SätÂze markiert.
Eine andeÂre StuÂdie, auf die der wisÂsenÂschaftÂliÂche Dienst in dieÂsem ZusamÂmenÂhang ebenÂfalls verÂweist, stammt von der ProÂgÂnos AG. DieÂse legt einen TransÂport via PipeÂline zugrunÂde. Sie schätzt zwar den Import gegenÂüber der ProÂdukÂtiÂon In DeutschÂland als miniÂmal preisÂgünsÂtiÂger ein, allerÂdings ist in der StuÂdie auch die Rede von einer „potenÂziÂell gerinÂgeÂren InvesÂtiÂtiÂonsÂsiÂcherÂheit in SchwelÂlen- und EntÂwickÂlungsÂlänÂdern gegenÂüber DeutschÂland“.
In ZusamÂmenÂhang mit dem Import von WasÂserÂstoff wird im DokuÂment des wisÂsenÂschaftÂliÂchen DiensÂtes auch das BunÂdesÂwirtÂschaftsÂmiÂnisÂteÂriÂum mit folÂgenÂden WorÂten zitiert: „DeutschÂland wird auch in einer dekarÂboÂniÂsierÂten Welt in groÂßem Umfang EnerÂgieÂträÂger imporÂtieÂren müsÂsen.“
LeiÂder ist nicht dokuÂmenÂtiert, wie das BMWI zu seiÂner EinÂschätÂzung kommt. AllerÂdings ist dieÂse ForÂmuÂlieÂrung auch in einem Papier der DeutÂschen VerÂeins der Gas- und WasÂserÂfaÂches e.V. (DVGW) zu finÂden. Somit habe ich hier ein Henne-Ei-Problem.
Woher kommt der grüÂne Strom in Deutschland?
Ob für den direkÂten VerÂbrauch oder zur ProÂdukÂtiÂon von WasÂserÂstoff: wir benöÂtiÂgen jede MenÂge Strom aus erneuÂerÂbaÂren Energien!
Das sieht auch die BunÂdesÂreÂgieÂrung so. In der natioÂnaÂlen WasÂserÂstoffÂstraÂteÂgie heißt es dazu:
Für den MarktÂhochÂlauf der WasÂserÂstoffÂtechÂnoÂloÂgien und deren Export ist eine starÂke, nachÂhalÂtiÂge und zur EnerÂgieÂwenÂde beiÂtraÂgenÂde inlänÂdiÂsche WasÂserÂstoffÂproÂdukÂtiÂon und WasÂserÂstoffÂverÂwenÂdung – ein „HeiÂmatÂmarkt“ – unverÂzichtÂbar. Für eine langÂfrisÂtig wirtÂschaftÂliÂche und nachÂhalÂtiÂge NutÂzung von WasÂserÂstoff müsÂsen ErzeuÂgungsÂkaÂpaÂziÂtäÂten für Strom aus erneuÂerÂbaÂren EnerÂgien (insb. Wind und PhoÂtoÂvolÂtaÂik) konÂseÂquent weiÂter erhöht werden.
DerÂzeit wird der masÂsiÂve AusÂbau von PhoÂtoÂvolÂtaÂikÂanÂlaÂgen durch unsinÂniÂge GesetÂze behinÂdert. HierÂvon sind – neben Ein- und ZweiÂfaÂmiÂliÂenÂhäuÂsern, MehrÂfaÂmiÂliÂenÂhäuÂsern und ZweckÂbauÂten – insÂbeÂsonÂdeÂre auch FreiÂfläÂchenÂanÂlaÂgen betroffen.
Um die die ErzeuÂgungsÂkaÂpaÂziÂtäÂten für Strom aus erneuÂerÂbaÂren EnerÂgien deutÂlich zu erhöÂhen, bedürÂfen die entÂspreÂchenÂden GesetÂze drinÂgend einer Überarbeitung!
MogelÂpaÂckung „BlauÂer Wasserstoff“
Aus Sicht der BunÂdesÂreÂgieÂrung ist auf DauÂer nur solÂcher WasÂserÂstoff nachÂhalÂtig, der auf Basis erneuÂerÂbaÂrer EnerÂgien herÂgeÂstellt wurÂde („grüÂner“ Wasserstoff).
UngeÂachÂtet desÂsen möchÂte die BunÂdesÂreÂgieÂrung überÂgangsÂweiÂse auch COâ‚‚-neuÂtraÂlen WasÂserÂstoff (sprich: „blauÂen“ oder „türÂkiÂsen“ WasÂserÂstoff) nutÂzen. Das leuchÂtet mir nicht ein!
BlauÂer WasÂserÂstoff wird ebenÂso wie grauÂer WasÂserÂstoff aus ErdÂgas herÂgeÂstellt. Hier entÂsteÂhen bereits bei der FörÂdeÂrung und dem TransÂport COâ‚‚- und MethanÂemisÂsioÂnen (StichÂwort „VorÂketÂtenÂemisÂsioÂnen“, ca. 25% der GesamtÂemisÂsioÂnen von ErdÂgas), was bereits für einen erhebÂliÂchen COâ‚‚-FußÂabÂdruck sorgt.
Auch hinÂsichtÂlich der CCS-TechÂnoÂloÂgie (AufÂfanÂgen und „sicheÂres“ DepoÂnieÂren des bei der WasÂserÂstoff-HerÂstelÂlung entÂsteÂhenÂden COâ‚‚ in BergÂwerÂken oder in ausÂgeÂbeuÂteÂten Öl- und GasÂfelÂdern) bestehen BedenÂken: so werÂden in der PraÂxis nur ca. 85% des anfalÂlenÂden COâ‚‚ tatÂsächÂlich aufÂgeÂfanÂgen. Der Rest entÂweicht ungehindert.
BlauÂer WasÂserÂstoff ist kein geeigÂneÂtes InstruÂment, um die deutÂschen KliÂmaÂzieÂle zu erreichen!
GreenÂpeace EnerÂgy kommt daher in einer KurzÂstuÂdie zum TheÂma BlauÂer WasÂserÂstoff auch zu dem ErgebÂnis, dass „selbst bei moderÂnen AnlaÂgen im DurchÂschnitt 143 gCO2/​kWh entÂsteÂhen; bei NachÂrüsÂtunÂgen sind es sogar 218 gCO2/​kWh. BlauÂer WasÂserÂstoff ist daher kein geeigÂneÂtes InstruÂment, um die deutÂschen KliÂmaÂzieÂle zu erreichen.“
Fazit
- Die DatenÂgrundÂlaÂge für den WasÂserÂstoffÂbeÂdarf im SekÂtor VerÂkehr ist wahrÂscheinÂlich überÂholt und bedarf desÂhalb einer zeitÂnaÂhen Überprüfung.
- Allein wegen dem vorÂanÂgeÂhenÂden Punkt, aber auch aufÂgrund weiÂteÂrer UnwägÂbarÂkeiÂten im HinÂblick auf den WasÂserÂstoffÂbeÂdarf ist derÂzeit unklar, ob, wie lanÂge und wieÂviel grüÂnen WasÂserÂstoff DeutschÂland imporÂtieÂren muss.
- SolanÂge unklar ist, ob der Import von WasÂserÂstoff dauÂerÂhaft und in groÂßen MenÂgen erfolÂgen muss (der Autor geht eher nicht davon aus), ist von InvesÂtiÂtioÂnen in PipeÂlines abzuÂseÂhen. StattÂdesÂsen ist im BedarfsÂfall der SchiffsÂtransÂport zu bevorzugen.
- Nicht zuletzt für die stromÂbaÂsierÂte ProÂdukÂtiÂon von grüÂnem WasÂserÂstoff brauÂchen wir in DeutschÂland einen masÂsiÂven AusÂbau erneuÂerÂbaÂrer EnerÂgien. Alle GesetÂze, welÂche dies behinÂdern, müsÂsen drinÂgend überÂarÂbeiÂtet werden.
- BlauÂer WasÂserÂstoff ist nicht kliÂmaÂneuÂtral, also eine Mogelpackung.
BlauÂer WasÂserÂstoff ist daher unbeÂdingt zu vermeiden!
OffeÂne Fragen
MeiÂne nachÂfolÂgenÂden FraÂgen sind offen geblieÂben oder haben sich beim RecherÂchieÂren zu dieÂsem ArtiÂkel ergeÂben. E‑Mail an das BMWI ist selbstÂverÂständÂlich raus. Ich werÂde an dieÂser StelÂle oder in einem weiÂteÂren ArtiÂkel zum TheÂma (abhänÂgig vom Umfang der NeuÂigÂkeiÂten) berichÂten, sobald es etwas NeuÂes gibt.
- Was sind die DatenÂgrundÂlaÂgen (StuÂdiÂen, etc.) die als Basis für die vorÂlieÂgenÂde NatioÂnaÂle WasÂserÂstoffÂstraÂteÂgie dienen?
- Auf welÂcher Basis kommt das BMWI zu folÂgenÂder EinÂschätÂzung: „DeutschÂland wird auch in einer dekarÂboÂniÂsierÂten Welt in groÂßem Umfang EnerÂgieÂträÂger imporÂtieÂren müssen.“?
- WarÂum genau soll grüÂner WasÂserÂstoff in MarokÂko (oder im Land eines andeÂren PartÂners) herÂgeÂstellt & dann imporÂtiert werÂden, statt dass gleich hier zu erledigen?
Update vom 4. OktoÂber 2020
Noch wähÂrend der RecherÂche zum vorÂlieÂgenÂden ArtiÂkel habe ich die genannÂten offeÂnen FraÂgen an das BunÂdesÂmiÂnisÂteÂriÂum für WirtÂschaft und EnerÂgie (BMWi) geschickt. Hier meiÂne entÂspreÂchenÂde E‑Mail:
NachÂdem ich bis zum 22. Juli (also etwas mehr als 1 Monat späÂter) immer noch keiÂne AntÂwort erhalÂten habee, habe ich nochÂmal nachÂgeÂfasst. AufÂgrund eines zwiÂschenÂzeitÂliÂchen ErkenntÂnisÂgeÂwinns meiÂnerÂseits habe ich bei der GeleÂgenÂheit noch eine ergänÂzenÂde FraÂge gestellt:
Am 8. SepÂtemÂber habe ich dann endÂlich AntÂwort vom BMWi erhalÂten! Lest selbst:
AllerÂdings stellt sich mir die FraÂge, warÂum meiÂne (aus meiÂner Sicht einÂfaÂchen) FraÂgen nicht beantÂworÂtet werden?
Um es nochÂmal ganz deutÂlich zu formulieren:
- Ein MinisÂteÂriÂum verÂöfÂfentÂlicht ein Strategiepapier.
- Jemand (ich) fragt nach der EntÂsteÂhungsÂgeÂschichÂte, bezieÂhungsÂweiÂse den zugrunÂde lieÂgenÂden Daten.
- Das MinisÂteÂriÂum antÂworÂtet, es sei mit der UmsetÂzung der darÂin entÂhalÂteÂnen MaßÂnahÂmen beschäfÂtigt, könÂne aber noch keiÂne EinÂzelÂheiÂten dazu nenÂnen (dabei wollÂte ich doch nur wisÂsen, wie, also auf welÂcher DatenÂgrundÂlaÂge, das StraÂteÂgieÂpaÂpier entÂstanÂden ist!).
Die aus meiÂner Sicht inhaltsÂleeÂre AntÂwort mag jeder für sich selbst interpretieren.
Bei mir ist jedenÂfalls der EinÂdruck entÂstanÂden, dass es sich bei der WasÂserÂstoffÂstraÂteÂgie bis heuÂte nur um ein reiÂnes PR-Papier handelt.
LiteÂraÂturÂverÂzeichÂnis
BunÂdesÂreÂgieÂrung: Die NatioÂnaÂle Wasserstoffstrategie
WisÂsenÂschaftÂliÂcher Dienst: „KosÂten der ProÂdukÂtiÂon von grüÂnem WasÂserÂstoff“
ProÂgÂnos AG: KosÂten und TransÂforÂmaÂtiÂonsÂpfaÂde für stromÂbaÂsierÂte Energieträger
GreenÂpeace EnerÂgy EG: BlauÂer WasÂserÂstoff: Lösung oder ProÂblem der Energiewende?
FraunÂhoÂfer ISE: Wege zu einem kliÂmaÂneuÂtraÂlen Energiesystem
FraunÂhoÂfer ISI/​ISE: Eine WasÂserÂstoff-RoadÂmap für Deutschland
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Zu KosÂten der UmwandÂlung von elekÂtriÂscher EnerÂgie in Wasserstoff:
AbwäÂgung ist auch abhänÂgig von TransÂportÂbeÂdinÂgunÂgen & NutÂzen der Speicherbarkeit !
ProÂdukÂtiÂon von Roh- und KraftÂstofÂfen aus ElekÂtriÂziÂtät (PtX, PtG & ReFuÂel) ist akzepÂtaÂbel, wenn speÂziÂell dafür ÜberÂkaÂpaÂziÂtäÂten an erneuÂerÂbaÂrer EnerÂgie aufÂgeÂbaut werÂden, die sich anderÂweiÂtig nicht im StromÂnetz zur VerÂdränÂgung von KohÂle-Strom nutÂzen lasÂsen, z.B. in OffÂshore-WindÂparks ohne ausÂreiÂchenÂde Netz-AnbinÂdung oder im "SonÂnenÂgürÂtel" der Erde:
➯ PläÂdoyÂer für ReFuÂel als TransÂportÂmeÂdiÂum zum Import von erneuÂerÂbaÂrer EnerÂgie aus ferÂnen LänÂdern im "Green Deal":
http://​edi​son​.media/​o​e​k​o​-​s​p​r​i​t​-​f​u​e​r​-​d​i​e​-​w​e​l​t​/​2​5​2​0​1​944 âž 4‑facher WirÂkungsÂgrad für ReFuÂel Import aus dem "SonÂnenÂgürÂtel"
➯ TatÂsächÂlich für unseÂre BreiÂten und im BinÂnenÂland wohl effekÂtiÂver, als direkÂte NutÂzung von Elektrizität
(E‑Mobilität mit Schnell-Ladung oder OberÂleiÂtung) aus begrenzt knapÂpem DarÂgeÂbot an Solar- & WindÂenerÂgie mitÂbisÂher nicht gelösÂtem ManÂgel bei tageÂlanÂger Dunkelflaute!
➯ Die allÂfälÂlig vorÂgeÂtraÂgeÂne AblehÂnung gegen PtX & PtG (wegen angebÂlich schlechÂtem WirÂkungsÂgrad) ist typiÂsches BeiÂspiel, wie ideoÂloÂgisch einÂseiÂtiÂge FokusÂsieÂrung verÂblenÂden kann (sogar bei B90/​Grüne oder GermanZero)…
➯ Hier haben wohl auch die SciÂenÂtists drinÂgend AufÂkläÂrungsÂarÂbeit zu leisten!