Laut einer Pressemitteilung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) soll zwischen 2020 bis Ende 2022 eine Machbarkeitsstudie zu einer deutsch-australischen Lieferkette für Wasserstoff auf Basis erneuerbarer Energien erstellt werden. Im Klartext: die Bundesregierung hält den Import von Wasserstoff aus Australien immerhin für so sinnvoll, dass sie bereit ist, für diese Studie 1,5 Millionen Euro auszugeben. Ich habe mich intensiv mit dem Thema beschäftigt. Meine Ergebnisse und der aktuelle Stand der Technik in diesen Beitrag.
Tanker für flüssigen Wasserstoff (LH₂) – 3D Rendering.
Am 10. September 2020 veröffentlichte das BMBF eine Pressemitteilung, der zufolge Bundesforschungsministerin Anja Karliczek sowie zwei Vertreter der australischen Regierung eine gemeinsame Absichtserklärung zur Durchführung einer Machbarkeitsstudie zu einer deutsch-australischen Lieferkette für Wasserstoff auf Basis erneuerbarer Energien unterzeichnet haben. Das wirft zumindest bei mir einige Fragen auf, die ich versuche, in diesem Beitrag zu beantworten. Im einzelnen geht es um folgende Themen:
Da scheinen 100 TWh Wasserstoff in 2030 eher realistisch zu sein als die genannten 1.000 TWh. Das bestätigt auch eine Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der FDP. Gehen wir also davon aus, das es sich um einen Zitatfehler des Sydney Morning Herald handelt, vernachlässigen den in Deutschland hergestellten Anteil und rechnen der Einfachheit halber mit 100 TWh weiter. Wir nehmen außerdem an, dass die gesamte Menge aus Australien stammt. Das ist zwar unrealistisch, hilft aber bei der Veranschaulichung der Probleme.
Wie kann der Wasserstoff von Australien nach Deutschland transportiert werden?
Es liegt auf der Hand, dass der Transport aufgrund der Entfernung ausschließlich über den Seeweg erfolgen kann.
Eine Variante wäre, den Wasserstoff in verflüssigter Form zu transportieren, d.h. bei circa ‑253 ℃ als sogenanntes LH₂. Das schauen wir uns in diesem Beitrag genau an.
Es gibt aber auch noch andere Möglichkeiten, Wasserstoff zu transportieren. Dazu gehört der Transport in Form von Ammoniak (NH₃), Methanol (CH3OH) oder gebunden an LOHC (Liquid Organic Hydrogen Carriers), eine organischen Substanz, die Wasserstoff chemisch bindet. Damit werde ich mich in nachfolgenden Beiträgen beschäftigen.
Transport als Flüssig-Wasserstoff (LH₂)
Die volumetrische Energiedichte von LH₂
Eine Variante wäre, den Wasserstoff in verflüssigter Form zu transportieren, d.h. bei circa ‑253 ℃ als sogenanntes LH₂.
Die volumetrische Energiedichte von LH₂ beträgt 2,36 kWh/l (Link). Zum Vergleich: Das ist etwa 40 Prozent gegenüber verflüssigtem Erdgas (LNG, 5,8 kWh/l), gegenüber Rohöl (10,9 kWh/l) sogar weniger als ein Viertel .
Die oben genannten 100 TWh entsprechen also etwas mehr als 42 Mio. m³ LH₂.
Angenommen wir würden den benötigten Wasserstoff komplett aus Australien importieren, lautet die nächste spannende Frage:
Wieviele LH₂-Tanker benötigen wir dafür? Um diese Frage beantworten zu können, müssen wir uns zunächst mit in Frage kommenden Schiffsmodellen und der Reisedauer beschäftigen.
Welche LH₂-Tanker gibt es heute und in Zukunft?
LH₂-Tanker sind sehr neu. Genaugenommen gibt es gerade mal ein solches Schiff, die „Suiso Frontier“: Die Firma Kawasaki Heavy Industries (KHI) baut die Schiffe, die für den Transport von LH₂ zwischen Australien & Japan eingesetzt werden sollen. Hier eine Pressemeldung vom Baubeginn und hier eine entsprechende Präsentation von KHI. Darin finden wir auch die „Tank cargo capacity”, also die für die Fracht verfügbare Kapazität des Demo-Tankers: es sind 1.250 m³. Der Plan ist, die Kapazität auf 4.000 m³ zu erhöhen.
Ein anderes LH₂-Tankerkonzept stammt aus einer Zusammenarbeit zwischen Moss Maritime, Equinor, Wilhelmsen und DNV-GL. Die Kapazität hier: 9.000 m³. Das Schiff ist für eine maximale Reisedauer von 25 Tagen ausgelegt.
Ein weiteres Design, mit einer Frachtkapazität von 8.000 m³ stammt von ICE Marine Design.
Legen wir die 8.000 m³ zugrunde, müssten für die 100 TWh/a knapp 5.300(!) von diesen Tankern im Jahr In D ankommen, also knapp 15 am Tag. Es ist offensichtlich, dass das wenig sinnvoll ist. Suchen wir also weiter!
Die ambitiöseste Idee, die ich finden konnte, stammt ebenfalls von KHI (in dieser Präsentation, Folie 10): ein LH₂-Tanker mit einer Kapazität von 160.000 m³. Allerdings existiert von diesem Schiff bisher lediglich ein Rendering. Fertigstellung: frühestens 2025 (aus heutiger Sicht eher 2028). Selbst wenn wir diesen Typ zugrunde legen, benötigen wir 263 Schiffsankünfte pro Jahr, um die zu importierende Menge Wasserstoff zu transportieren.
Wie lange dauert die Überfahrt von Australien nach Deutschland?
Die mittlere Geschwindigkeit eines Tankers beträgt etwa 15 Knoten. Auf der Website searates.com kann man ausrechnen, wie lange eine Überfahrt von A nach B bei einer bestimmten Geschwindigkeit dauert. Von Australien (Gladstone Deepwater Port) nach Hamburg sind das etwa 33 ½ Tage – ohne Liegezeit, versteht sich. Inklusive Liegezeit und Rückfahrt kann man also etwa von 70 Tagen für einen kompletten Umlauf ausgehen.
ausgehen. Das bedeutet, wir können ein Schiff erst am 66. Tag für die nächste Überfahrt neu beladen.
Somit benötigen wir ca. 50(!) dieser Schiffe – von denen, wohlgemerkt, noch nicht einmal ein konkretes Design existiert!
Man benötigt mindestens 50 LH₂-Tanker, von denen bis heute nicht mehr als die Idee und ein Rendering existiert.
Letzteres ist auch nicht weiter überraschend: Die Technologie ist völlig neu, KHI will (muss) zunächst mal Erfahrungen mit dem oben beschriebenen Prototypen sammeln, um die Projektierung solcher Ozeanriesen in Angriff zu nehmen. Im Hinblick auf 2030 könnte das eng werden: Planung und Bau dauern bei einem Tanker dieser Größenordnung gerne mal 3–4 Jahre.
Energiebedarf für die Umwandlung von Wasserstoff in LH₂
Neben der beschriebenen logistischen Herausforderung gibt es durchaus noch weitere Faktoren, die zu berücksichtigen sind.
So wird beispielsweise allein für die Verflüssigung des Wasserstoffs knapp 1⁄3 der darin gespeicherten Energie benötigt (ergo: 30% Verluste, vgl. _A_review_of_hydrogen_liquefaction_current_situation_and_its_future). Die Hoffnung ist, dies im besten Fall zu halbieren.
Verluste durch Verdampfen während des Transports
Das auf – 253 ℃ heruntergekühlte LH₂ in einem Tank zu transportieren, muss man sich ungefähr so vorstellen, als wolle man eine Kugel Eis in einem auf 200 ℃ aufgeheizten Backofen aufbewahren. Wir müssen deshalb über das sogenannte „Boil-Off” sprechen.
Egal, wie gut die Tanks isoliert sind: Das LH₂ erwärmt sich. Ein Teil verdampft, wobei dieser sich ausdehnt. Damit der entstehende Überdruck nicht den Tank zum bersten bringt, muss man Wasserstoff ablassen. Theoretisch ist das nicht tragisch: man könnte damit den Tanker antreiben. Aber: von den 100%, die man in Australien eingefüllt hat, kommt hier einiges gar nicht an. Das Ziel für den Verlust beträgt etwa 0.2%/Tag. Bei 30 Tagen Reisedauer also knapp 6%.
Mehrkosten im Vergleich zu Flüssiggas-Transporten
Seit vielen Jahren sind LNG-Tanker etabliert. LNG steht für „Liquid Natural Gas", also verflüssigtes Erdgas (CH₄). LNG wird bei ‑160 ℃ transportiert. Da liegt – nach allem was wir bis hierher wissen – die Vermutung nahe, dass das „bei LH₂ schon so ähnlich sein wird”. Dem ist leider nicht so.
Beispielsweise sind Komponenten wie Ventile, Schläuche und Rohrleitungen, nicht unbedingt für den LH2-Transport geeignet: H₂-Moleküle sind kleiner als CH₄-Moleküle. Daher kann LH₂ durch durch Verbindungen oder Dichtungen entweichen, die LNG zurückhalten würden. Die meisten Komponenten wird man daher nicht verwenden können, was einen LH₂-Tanker gegenüber einem LNG-Tanker teurer macht.
Neben den Armaturen ist auch die Tankkonstruktion aufwändiger. So werden LNG-Tanks typischerweise mit 40 cm Isolierung versehen. Die Boil-Off-Rate beträgt dann etwa 0,2% pro Tag. Würde man LH₂ in den Tank einfüllen, würde man täglich 5% verlieren! Es braucht hier offensichtlich eine völlig andere Tankkonstruktion.
Ein mehrschichtiger Ansatz mit einem Vakuum zwischen der Innen- und Außenhülle wird bereits verwendet, um LH₂ und flüssiges Helium im industriellen Sektor kalt zu halten. Aber das findet an Land statt. Der Einsatz auf einem Schiff ist nochmal einen neue Herausforderung. Man wird abwarten müssen, ob und gegebenenfalls welche Probleme sich bei dem oben beschriebenen Demonstrationstanker einstellen, wenn dieser in Betrieb ist.
Kraftstoffverbrauch des Brennstoffzellenantriebs
Wir erinnern uns: LH₂ hat einen sehr niedrigen volumetrischen Energiegehalt. Daraus resultiert, dass man im Vergleich zu Schweröl oder Flüssiggas, mit dem solche Tanker aktuell angetrieben werden, ein Vielfaches des Treibstoff-Volumens benötigt. Auf Kurzstrecken, wenn also alle paar Tage nachgetankt werden kann, mag das eine untergeordnete Rolle spielen.
Auf einer Langstrecke sieht das jedoch anders aus: Für die beiden Überfahrten (2 x 12.481 n.m.) werden etwa 3.000 m³ LH₂ benötigt (0,025 kWh/n.m./dwt bei 11.200 t und einer Energiedichte von 2,359 kWh/l LH₂) – also knapp zwei Prozent der Ladung. Zumindest auf der Hinfahrt (also von Australien nach Deutschland) ist das gegenüber dem Boil-Off vernachlässigbar, sofern dieser für den Antrieb verwendet werden kann. Verbleiben also noch ein Prozent der Ladung, die als Treibstoff für die Rückfahrt benötigt wird.
Was sagen Experten zum Transport von flüssigem Wasserstoff?
Der Transport von flüssigem Wasserstoff über Ozeane wurde noch nie zuvor durchgeführt. Die Entwicklung ist mit einem hohen Risiko behaftet. Der Transportweg einschließlich der anfallenden Umwandlungsverluste ist in jedem Fall sehr ineffizient.
Der Transport von flüssigem Wasserstoff über einen derart langen Seeweg birgt im Vergleich zur kontinentalen Produktion potenziell erhebliche Nachteile und Risiken.
Im Ergebnis kann ich hier keinen keinen Vorteil im Vergleich zur Herstellung von Wasserstoff beispielsweise in der Nordsee oder lokal bei industriellen Verbrauchern erkennen. Das Gegenteil ist der Fall: Der Transport von flüssigem Wasserstoff über einen derart langen Seeweg birgt eher Nachteile und erhebliche Risiken.
Updates
30.12.2021: Die Suiso Frontier ist erstmalig ausgelaufen; dass 40.000 m³ Tanksystem von KHI hat eine eine prinzipielle Zulassung von ClassNK erhalten; übertriebene Schätzung beim Kraftstoffverbrauch korrigiert, bzw. durch transparente, überprüfbare Berechnung ersetzt; interessante Quellen hinzugefügt (s. u.)
https://www.itcv-software.com/wp-content/uploads/2020/09/AdobeStock_435651863_web.jpg12001980Jürgen Voskuhl/wp-content/uploads/2018/11/Logo_itcv_claim.svgJürgen Voskuhl2020-09-29 17:29:492021-12-30 15:25:20Wasserstoff aus Australien: Eine gute Idee?
Woran das liegt? Zum einen sind wir dazu verdammt, ohnmächtig dabei zuzuschauen, wie das von Peter Altmaier (CDU) geführte BMWi die Energiewende verschleppt. Nicht genug damit: die dezentrale Energiewende wird durch geeignete Maßnahmen sogar aktiv verhindert!
Da ist es nicht weiter verwunderlich, wenn sich dies auch in messbaren Ergebnissen niederschlägt, beispielsweise im jährlich neu berechneten Klimaschutz-Index (KSI), der einen Vergleich der Klimaschutzleistungen und Fortschritte einzelner Länder ermöglicht.
Das Dokument bescheinigt Deutschland „uneinheitlichen Leistungen in allen Kategorien“ und man kommt deshalb zu einer „mäßigen Bewertung“.
In dem Bericht heißt es: „Die Treibhausgasemissionen und der Energieverbrauch pro Kopf bleiben auf einem vergleichsweise hohen Niveau und sinken nicht schnell genug, um das Land auf einen Emissionspfad zu bringen, der für eine Begrenzung der Erderwärmung auf deutlich unter 2°C notwendig ist.“
Weiter heißt es im Bericht: „Als Teil des Klimapakets hat die deutsche Regierung 2019 ein System zur CO2-Bepreisung für 2021, Verbesserungen des öffentlichen Nahverkehrs und ein Maßnahmenpaket zur Erhöhung Erneuerbarer Energien angekündigt. Obwohl die ExpertInnen diese positiven Signale honorieren, geben sie zu bedenken, dass die Ziele und vorgesehenen Maßnahmen noch nicht ausreichen, um den notwendigen Beitrag zu leisten die Erderwärmung auf deutlich unter 2°C zu begrenzen. Die neu angekündigten Maßnahmen reichen ebenfalls nicht aus, um die Rückschritte im Ausbau der Erneuerbaren – insbesondere bei der Windenergie im Binnenland – auszugleichen.“
Klimaschutz: Keine Besserung in Sicht
Nun stammt das KSI-Dokument, aus dem ich zitiert habe, von Ende 2019. Ist inzwischen Besserung in Sicht?
Nein, das Gegenteil ist der Fall: Derzeit überholen uns andere Länder auf der ganzen Welt beim Klimaschutz! Hier ein paar Meldungen der letzten Tage und Wochen:
Als achtes Land in der Europäischen Union verzichtet Österreich seit April auf Kohlekraftwerke.
Mehrere dieser Länder verfügen übrigens nicht über eine nukleare Stromerzeugung. Was das oft gebrauchte Argument „Wir müssen unsere Kohlekraftwerke so lange laufen lassen, weil wir parallel auch aus der Atomenergie aussteigen“ widerlegt.
Wohlgemerkt: Das sind lediglich einige wahllos herausgegriffene Beispiele für Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen, die in verschiedenen Ländern unlängst ergriffen, beziehungsweise beschlossen wurden – was vor allem jene Zeitgenossen Lügen straft, die nur allzu gerne mit den Worten "Ja, aber die anderen Länder!" Fingerpointing betreiben.
Und was macht Deutschland?
Immerhin hat die Regierung es in diesem Jahr geschafft, den 52-Gigawatt-Solardeckel zu beseitigen: Über einen entsprechenden Artikel im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG, § 49) ist die Höhe der Einspeisevergütung für Photovoltaikanlagen bis zu einer Anlagengröße von 750 Kilowatt geregelt. Bisher reduzierte sich diese Vergütung bei Erreichen von 52 GW installierter Leistung auf Null.
Die Abschaffung des Deckels ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung. Vor dem Hintergrund der Sektorkopplung ist allerdings ein massiver Ausbau erneuerbarer Energien erforderlich. Im Hinblick auf Photovoltaikanlagen bestehen jedoch immer noch zahlreiche Hindernisse:
Der Ausbau-Korridor („atmender Deckel“) von derzeit 2,5 GW muss auf mindestens 10 GW pro Jahr angehoben werden.
Damit insbesondere auf 1-/2‑Familien-Häusern möglichst große PV-Anlagen gebaut werden, muss die anteilige EEG-Umlage auf selbst verbrauchten Strom aus Anlagen mit einer Leistung von mehr als zehn Kilowatt abgeschafft werden. Diese ist nach europäischen Recht ohnehin für Anlagen bis 30 kWp unzulässig.
Um den Zubau von Solarparks zu beschleunigen, muss das jährliche Ausschreibungsvolumen um ein Vielfaches angehoben werden.
Um deutlich mehr PV-Anlagen auch auf die Dächer von Mehrfamilienhäusern zu bekommen, muss das Mieterstromgesetz vereinfacht werden: In seiner jetzigen Form verhindert es nämlich den Bau von PV-Anlagen auf Immobilien, bei denen der damit erzeugte Strom von mehreren Parteien (Wohnungseigentümer, Mieter) genutzt würde.
Angesichts dieser vielen offenen Baustellen drängt sich die Frage auf, ob und gegebenenfalls welche konkreten Vorstellungen die Bundesregierung hinsichtlich der Energiewende hat.
Der konterkarierte Ausstieg von der Kohleverstromnung
Das Jahr 2020 hat im Hinblick auf den Kohleausstieg bereits ganz schlecht begonnen. So wurde gleich im Januar die Inbetriebnahme von Datteln IV, einem neuen Kohlekraftwerk, beschlossen.
Am kommenden Freitag soll nun das Gesetz zur Reduzierung und zur Beendigung der Kohleverstromung und zur Änderung weiterer Gesetze beschlossen werden.
Mit dem KohleEINstiegsgesetz wird die Förderung und Verstromung von Braunkohle für weitere 18 Jahre festgeschrieben!
Mit diesem Gesetz wird – entgegen dem Gesetzestitel – insbesondere die Förderung von Braunkohle und deren Verstromung für weitere 18(!) Jahre festgeschrieben!
Da überrascht es nicht weiter, dass das Gesetz im Volksmund inzwischen KohleEINstiegsgesetz genannt wird.
Das alles zeigt, dass sich an der im KSI-Bericht beschriebenen Situation wohl auch in diesem Jahr nichts ändern wird. Schade eigentlich!
Egal ob Wirtschaftsvertreter, Populisten oder angebliche Institute/ThinkTanks: Klimawandelleugner (beziehungsweise Klimawandelskeptiker) finden sich in allen drei genannten Gruppen. Entweder wird der menschengemachte Anteil am Klimawandel komplett verleugnet oder mindestens angezweifelt. Wann und wie hat das eigentlich Einzug in die fossile Brennstoffindustrie gehalten?
„Nur wer die Vergangenheit kennt, hat eine Zukunft”
Alexandre Magnin ist Nachhaltigkeitsberater, Illustrator und Youtuber.
Ben Franta hat an der Stanford Universität in angewandter Physik promoviert. Seine Forschung konzentriert sich auf die Geschichte der Klimawissenschaft, Klimaleugnung und die Produzenten fossiler Brennstoffe.
Gemeinsam erzählen die beiden die Geschichte des organisierten Leugnens des menschengemachten Anteils am Klimawandel, die in der US-amerikanischen Ölindustrie ihren Anfang nahm.
Inhaltlich kann man das alles nachlesen (zum Beispiel in diesem Blog-Beitrag) oder auch als Dokumentarfilm anschauen (Original mit dt. Untertiteln). Alex und Ben haben die Form eines Comics gewählt (hier geht's zum Original). Was ist der Sinn dahinter?
Ein hollywoodreifer Plot
Inhaltlich geht es um skrupellose Lobbyisten, die seriöse Forscher diffamieren und gezielt Falschinformationen in lancierten Medienkampagnen global verbreiten – also mehr oder weniger ein hollywoodreifer Plot, skandalträchtig und bestürzend zugleich.
Das hat sich niemand ausgedacht. Es geht um skandalträchtige Ereignisse, die tatsächlich stattgefunden haben!
Hier geht es aber nicht um die Verfilmung einer fiktiven Geschichte, sondern um tatsächliche Begebenheiten: die im Comic erwähnten multinationalen Konzerne, Lobbyisten und Wissenschaftler gibt es tatsächlich. Die Lobbyisten sind sogar heute noch aktiv! Übrigens auch hier bei uns in Deutschland, wie die Recherchen von CORRECTIV und Frontal21 belegen.
Ebenso wie die Original-Autoren des Comics halte ich es daher für geboten, diese Machenschaften aufzuzeigen, und dies in allen Medien (Print, Video, Audio) und auf allen Kanälen (Buch, Film, Blog-Beiträge, Social Media, Podcasts, …) zu verbreiten – damit das hoffentlich irgendwann ein Ende hat!
Das Machtungleichgewicht zwischen Konzernlobbyismus und Zivilgesellschaft muss beseitigt werden!
An dieser Stelle könnte der Beitrag eigentlich zu Ende sein.
Für den Fall, dass Du aber auch mal etwas übersetzen musst, beziehungsweise übersetzt haben möchtest (ja, ich bin käuflich!), findest Du nachfolgende einige hoffentlich hilfreiche Hinweise und Erläuterungen zur Vorgehensweise in diesem Projekt.
Translation first!
Die Übersetzung des Comics habe ich komplett übernommen. Was mich dazu befähigt? In meinem „früheren Leben” als Angestellter war ich zeitweise in M&A‑Projekte im Zusammenhang mit Unternehmen in den USA involviert. Von daher würde ich mein Englisch durchaus als "vertragssicher in Wort und Schrift" bezeichnen.
Zudem habe ich acht Jahre in Südostasien gelebt und dort häufig in englischer Sprache kommuniziert, teilweise mit Muttersprachlern. Ich weiß also, woher jemand kommt, wenn er aus „Oz” stammt und kenne – außer der Frucht – mindestens zwei weitere Bedeutungen des Wortes „Kiwi”.
Ferner war ich vor einigen Monaten Teil des großartigen Teams, welches den beeindruckenden Vortrag des australischen Klimawissenschaftler Will Steffen für die Spätere Voice-over-Synchronisation übersetzt hat (hier zu sehen und zu hören). Das hat mir bei der Umsetzung des aktuellen Projekts sehr geholfen.
Jetzt kann es also losgehen! Im ersten Schritt wird der zu übersetzende Text in der Originalsprache (hier: englisch) erfasst. Dieser Vorgang nennt sich „transkribieren”. Je nach Umfang können Scanner und OCR-Programm zum Einsatz kommen. Aufgrund des geringen Umfangs und der im Original verwendeten Schrift, die erfahrungsgemäß Probleme bei der OCR-Erkennung erwarten ließ, habe ich mich für eine manuelle Erfassung entschieden.
In jedem Fall ist es sinnvoll, den Text dabei in einzelne Abschnitte zu unterteilen.
Da der vorliegende Comic einzelne Szenen darstellt, war die Bildung entsprechender Textblöcke mehr oder weniger vorgegeben (beim Vortragsprojekt haben wir die gezeigten Präsentationsfolien und die Video-Timecodes benutzt).
Ist das erstmal erledigt, geht es ans eigentliche Übersetzen. Hilfreich ist hierbei für eine erste Näherung der deutsche Online-Übersetzungsdienst DeepL.
Das entbindet den Übersetzer (also mich) aber keinesfalls davon, dieses erste Ergebnis zu prüfen und zu überarbeiten! Kein Übersetzungsprogramm ist perfekt: Es gibt zahlreiche Fallstricke zu beachten, von denen wir uns einige nachfolgend anschauen.
Ein Übersetzungsprogramm ist hilfreich, ersetzt (derzeit) aber keinen menschlichen Übersetzer
Beginnen wir mit dem Kontext, also der Frage "Was genau wollte der Autor des Originals mit einem bestimmten Satz ausdrücken?". Aufgrund von stilistischen Elementen (Sarkasmus, Ironie, Wortspiel, …) kann es passieren, dass eine wörtliche Übersetzung sinnentstellend wirkt.
Ein weiteres beliebtes Fettnäpfchen sind Fachtermini: man muss das jeweilige Fach (oder die Fächer, im vorliegenden Fall: Klimawissenschaft und Business Administration) beherrschen, also die Fachbegriffe kennen. Das natürlich in beiden Sprachen. Ein Anglistik-Studium allein hilft da nicht unbedingt weiter.
Zudem existiert das weite Feld englischer Sprichwörter. Die muss man ebenfalls kennen, sonst droht Ratlosigkeit: Eine wörtliche Übersetzung ergibt auch hier oft keinen Sinn.
In der Praxis verwendet man einfach das deutsche Pendant. Beispiele gefällig?
Mit „As thick as a brick” ist kein dicker Stein gemeint, sondern wenn jemand "dumm wie Bohnenstroh" ist. In der englischen Sprache schlägt man eben nicht „zwei Fliegen mit einer Klappe”, sondern zwei Vögel mit einem Stein („kill two birds with one stone").
Die letztgenannte Redewendung wird übrigens von DeepL korrekt übersetzt, die erste dagegen wörtlich (also falsch).
Jetzt wird es ernst!
Ist man erstmal mit der Übersetzung durch, geht es ans Eingemachte: In aller Regel hat man nämlich nun ein „Platzproblem”!
Dazu muss man wissen, dass Formulierungen in deutscher Sprache häufig länger sind als das englische Pendant. Für diejenigen, die Englisch grundlegend beherrschen: versucht mal "There are doubts on climate change science" ins Deutsche zu übersetzen – und zwar ohne dafür nennenswert mehr Buchstaben als im englischen Original zu benötigen. Es ist schlichtweg unmöglich!
Wenn ich einen Brief übersetze, mag das tolerierbar sein: Dann wird der Brief in deutscher Sprache halt ein wenig länger.
Anders sieht es natürlich bei vorgegebener Größe (beispielsweise von Sprechblasen, wie im vorliegenden Projekt) oder begrenzter Sprechdauer (wie bei einer Voice-over-Synchronisation) aus.
„Kleiner schreiben", beziehungsweise „schneller sprechen” funktioniert nur in gewissen Grenzen. Darüber hinaus hilft dann nur beherztes Kürzen – natürlich keinesfalls sinnentstellend! Hier kommt dem Übersetzer also eine große Verantwortung zu.
Das Finale: die grafische Bearbeitung
Ist der Text erstmal übersetzt, geht es an die Bearbeitung der Medien. Hierbei sind zwei Fälle zu unterschieden:
Hat man die Originaldateien (mit zu übersetzenden Texten in einem separaten Layer) vorliegen, ersetzt man einfach den Originaltext durch die Übersetzung – und hofft, dass es grafisch "passt". Falls nicht, muss man halt Anpassungen vornehmen (Schriftgröße, Zeichen-/Wortabstand, …).
Ohne Original-Dateien (wie bei unserem Projekt), entfernt man im ersten Schritt jegliche Schrift aus den vorliegenden Grafiken. Der vorhandene Text wird also mit der jeweiligen Hintergrundfarbe „übermalt”.
Anschließend wird die Ebene mit der nun „textlosen” Grafik fixiert und darüber eine neue Ebene für den Text eingefügt. In der soeben erstellten Ebene erstellt man dann Textblöcke entsprechend den zuvor erstellten Übersetzungsblöcken. Diese werden im letzten Arbeitsgang noch entsprechend dem Bedarf formatiert.
Nach Abschluss der Arbeiten steht einer Verwendung im Zielmedium, zum Beispiel auf einer Webseite, nichts mehr im Wege!
Vor wenigen Tagen hat Gabor Steingart seine Meinung zum Thema Kernenergie verbreitet. Ich habe mir Steingarts Beitrag durchgelesen und liefere hier einige wichtige, ergänzende Tatsachen. Damit sich dann jeder nach Kenntnis ALLER Fakten eine eigene Meinung bilden kann.
https://www.itcv-software.com/wp-content/uploads/2020/08/AdobeStock_158836254_edit.jpg6751200Jürgen Voskuhl/wp-content/uploads/2018/11/Logo_itcv_claim.svgJürgen Voskuhl2020-08-10 17:00:042021-11-08 13:56:52Gabor Steingart und die vergessenen Fakten
Derzeit wird ja allerorts vor der angeblich drohenden Blackout-Gefahr gewarnt. In diesem Zusammenhang ist auch gerne von der „gescheiterten Energiewende“ die Rede und der deutsche Atomausstieg wird wieder thematisiert.
Auch Roland Tichy, Gründer der neurechten Plattform Tichys Einblick, diskutiert in einer Folge seines Talk-Formats Tichys Ausblick Talk („Energiewende ausgeträumt – droht jetzt der Blackout?“) mit seinen Gästen über all diese Themen. Ich habe mir das deshalb angeschaut und räume nachfolgend mit einigen der in diesem Video besprochenen Narrative auf, die auch an anderen Stellen gerne propagiert werden.
Das in allen Talk-Sendungen von Tichy gewählte Setting (in einer Hotel-Suite) hat für mich rein optisch immer etwas von einem konspirativen Treffen. Also im Sinne von einer Kneipe, in der im Hinterzimmer irgendwelche Kungeleien ablaufen – und wir Zuschauer dürfen exklusiv Zeugen sein. Wer sich selbst ein Bild machen möchte: am Ende des Beitrags befindet sich der Link zum Video. Für das Textverständnis ist das jedoch unwichtig. Man muss sich das also nicht zwingend anschauen.
Dieser Beitrag behandelt folgende Themen und Fragestellungen, die auch in der Sendung angesprochen werden:
Wie immer, stellt Roland Tichy zunächst die Gäste der jeweiligen Sendung vor. Wer sitzt da also mit am Tisch?
Prof. Dr. Fritz Vahrenholt war Umweltsenator in Hamburg, wechselte dann in die Energiewirtschaft (zuerst zur deutschen Tochter des Öl- und Gaskonzerns Shell, dann als Vorstandschef zu einem Windkraftanlagen-Hersteller, zuletzt zur Ökostromsparte von RWE). Danach machte er einen seltsamen Wandel zum Klimafaktenleugner durch.
Tichy weist im Rahmen von Vahrenholts Vorstellung darauf hin, dass Vahrenholt „die deutsche Wildtierstiftung groß gemacht hat“.
Was Tichy nicht sagt, reiche ich der Vollständigkeit halber an dieser Stelle nach: ebendiese Wildtierstiftung hat sich 2019 von Vahrenholt getrennt, wegen „unterschiedlicher Vorstellungen über die Positionierung der Stiftung in der aktuellen klimapolitischen Diskussion“. Nunja…
Albert Duin ist Unternehmer, FDP-Politiker und seit Oktober 2018 bayerischer Landtagsabgeordneter. Er ist außerdem Mitglied von Nuklearia e. V. Der Verein propagiert die Nutzung der Atomenergie als wesentlichen Bestandteil der Energieversorgung, da er Erneuerbare Energien als nicht ausreichend und unzuverlässig ansieht. Er arbeitet auf eine Revison des Atomausstiegs hin, damit der Bau und Betrieb neuer Reaktoren möglich wird.
Frank Henning, Diplomingenieur für Kraftwerksanlagen und Energieumwandlung, war viele Jahre in Kohlekraftwerken eines großen Versorgers beschäftigt (u. A. Jänschwalde) und schreibt heute Bücher (Dunkelflaute", ) und auch für Tichys Einblick, zum Beispiel die Serie "ABC des Energiewende- und Grünsprech". Was er von der Partei DIE GRÜNEN und der Energiewende im Speziellen hält, dürfte damit klar sein.
Zwischen den Gästen entwickelt sich – von Tichy moderiert – ein Gespräch auf Stammtisch-Niveau: da werden munter Anekdoten, Fakten und Fiktion vermischt und unbelegte Tatsachenbehaupten in den Raum gestellt.
Da es sich um ein YouTube-Format handelt, wäre es für Tichy ein leichtes, ein Factsheet mitzuliefern, wie zum Beispiel der Video-Blogger Rezo das macht. Aber das ist wohl aus gutem Grund nicht gewollt, denn dann würden schnell die Umgereimtheiten bei den Gesprächsinhalten offensichtlich.
Macht aber nix: ich reiche das hiermit gerne nach.
Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie
Vahrenholt ist angesichts steigender Energiepreise besorgt um die Wettbewerbsfähigkeit der mittelständischen und der energieintensiven Industrie. Er stellt fest, dass es für Rohstoffe wie Kupfer, Stahl und Aluminium einen Weltmarktpreis gibt und sieht ein Problem wegen der aktuellen Energiepreissteigerungen hierzulande. Als Begründung führt er die derzeitige Verdreifachung des Gaspreises an (Hallo? Ist das etwa kein Weltmarktpreis?) sowie den „dramatischen Anstieg des CO₂-Preises“ (gemeint ist hier der Preis für EU-ETS-Zertifikate).
Unerwähnt lässt er allerdings den am 14. Juli 2021 von der EU beschlossenen und ab 2026 gültigen Mechanismus zur Anpassung der CO2-Grenze, den „Carbon Border Adjustment Mechanism“ (CBAM). Der CBAM wird den CO2-Preis zwischen einheimischen Produkten und Importen angleichen und sicherstellen, dass die Klimaziele der EU nicht durch Produktionsverlagerungen in Länder mit weniger ehrgeiziger Politik untergraben werden. Vahrenholts Sorgen sind also höchstens von temporärer Natur, denn die Lösung ist seitens der EU bereits beschlossen.
Steht uns ein „Klima-Lockdown“ bevor?
Im Anschluss kommt Vahrenholt auf das „außerordentlich schwache Windjahr“ zu sprechen.
Er erwartet, dass es vor dem Hintergrund der bevorstehenden Abschaltungen von Kohle- und Kernkraftwerk zu einer „Strommangelwirtschaft“ kommt und zu „Abschaltungen, weil es nicht zu jeder Zeit Versorgungssicherheit geben kann“. Die Argumentationslinie gipfelt dann in einem aufgeregten „Klima-Lockdown“. Aber wie realistisch ist das?
Die Szenarien von KNDE [Anm.: Studie Klimaneutrales Deutschland] weisen bis 2030 und darüber hinaus eine hohe Versorgungssicherheit auf dem Strommarkt auf. Dies geht zum einen aus den Strommarktmodellierungen von Prognos AG hervor. Zum anderen geht dies ebenfalls aus einem Vergleich der Eingangsparameter mit der detaillierten Untersuchung von r2b et al (2019) hinsichtlich der Versorgungssicherheit auf dem Strommarkt hervor. Die Versorgungssicherheit auf dem Strommarkt wird bei einem ambitionierten Energiewende-Szenario insbesondere durch eine Flexibilisierung der Nachfrage über neue Stromverbraucher, das hohe Maß an europäischen Austauschkapazitäten sowie durch den Aufbau regelbarer Kraftwerksleistung ermöglicht.
Kurzum: Es gibt kein Problem, sofern die neue Regierung für Demand Side Management (DSM), europäische Austauschkapazitäten und regelbarer Kraftwerksleistung sorgt (und natürlich den Ausbau Erneuerbarer Energien beschleunigt). Was übrigens die bisherige Regierung bereits hätte machen können!
Wenn man im Hinblick auf diese Zukunft von regelbarer Kraftwerksleistung spricht, geht es regelmäßig um Gaskraftwerke – egal, ob diese nun mit Biogas, Erdgas, beziehungsweise später mit Wasserstoff betrieben werden. Da im weiteren Verlauf der Diskussionsrunde der Preisaspekt angesprochen wird, sei bereits an dieser Stelle angemerkt, dass auch das kein Problem darstellt: führende Experten auf dem Gebiet (Prof. Huber, TU München und Marco Wünsch von der Prognos AG) sind sich einig, dass die Kosten für entsprechende „Gas-Peaker“, also Gas-Kraftwerke, die nur in Ausnahmesituationen laufen, umgelegt auf die Kilowattstunde Strom 0,5 Cent nicht übersteigen:
Ja, mit mit 0,5 Cent/kWh hätte man bei 600 TWh Stromverbrauch 3 Mrd. Euro pro Jahr. Damit könnte man mehrere dutzend GW Kraftwerke vorhalten.
Kommen wir zum nächsten Highlight: Albert Duin und die Kernkraft, insbesondere deren Verfügbarkeit. Klar, als Nuklearia-Mitglied (warum schreitet er eigentlich nicht ein, als Tichy sich abfällig über Nuklearia äußert?) muss er natürlich das Thema Verfügbarkeit, beziehungsweise Volllaststunden pro Jahr bringen.
Unter anderem das von ihm angeführte „bisschen Renovierung und bisschen Servicezeiten“ sorgt allerdings dafür, dass die deutschen Kernkraftwerke eine Verfügbarkeit von weniger als 90% haben, resultierend in 7.700 Volllaststunden pro Jahr (Zahlen aus 2018) statt der maximal möglichen und im Beitrag genannten 8.760 Stunden.
Hier eine entsprechende grafische Darstellung (Quelle: DIW):
Kurzum: Die Verfügbarkeit der verbliebenen deutschen Kernkraftwerke ist lange nicht so hoch, wie Albert Duin suggerieren möchte und würde zukünftig aus verschiedenen Gründen weiter abnehmen.
Sagt der IPCC wirklich „Deutschland braucht Kernenergie“?
Es folgt der Auftritt von Frank Henning: Nachdem er der Politik eine „besondere Form der Realitätsverweigerung“ unterstellt, bringt er in dieser Runde die Sprache auf den IPCC, also den Weltklimarat. Es wird auch in dieser Runde das Argument bemüht „Der IPCC sagt, wir brauchen Kernenergie“.
Gefühlt höre ich das zum 100. mal. Aber auch, wenn man eine Lüge hundert Mal wiederholt, wird sie davon nicht wahr!
Es geht um den Bericht AR5 Climate Change 2014: Mitigation of Climate Change, Kapitel 7 (2014) und den in 2018 erschienenen Sonderbericht über 1,5 °C globale Erwärmung (SR1.5), Kapitel 2. Konkret geht es darum, wie die Emissionen bis Mitte des Jahrhunderts auf Null gesenkt werden können.
Hier wird von Atomkraft-Befürwortern regelmäßig eine Grafik und Textpassagen ins Spiel gebracht, die angeblich aufzeigen sollen, dass "in allen Szenarien Kernkraft ausgebaut wird". Genau das ist aber nicht der Fall!
Eine entsprechende Textpassage (aus SR 1.5) lautet wie folgt:
Nuclear power increases its share in most 1.5°C pathways with no or limited overshoot by 2050, but in some pathways both the absolute capacity and share of power from nuclear generators decrease (Table 2.15). There are large differences in nuclear power between models and across pathways (Kim et al., 2014; Rogelj et al., 2018). One of the reasons for this variation is that the future deployment of nuclear can be constrained by societal preferences assumed in narratives underlying the pathways (O’Neill et al., 2017; van Vuuren et al., 2017b). Some 1.5°C pathways with no or limited overshoot no longer see a role for nuclear fission by the end of the century, while others project about 95 EJ yr−1 of nuclear power in 2100 (Figure 2.15).
Übersetzt bedeutet das, dass die meisten Entwicklungspfade zu einem Ausbau der Kernenergie führen, manche jedoch zu einer Abnahme. Als einer der Gründe werden "gesellschaftliche Präferenzen" angegeben.
Interessant ist auch noch der Hinweis, dass in manchen Entwicklungspfade gegen Ende des Jahrhunderts gar keine Kernspaltung mehr vorkommt.
Zu beachten ist ferner, dass es sich bei den IPCC-Szenarien immer um eine globale Betrachtung handelt, also über alle Länder hinweg. Offensichtlich haben sich manche Länder für den Einsatz von Kernkraft entschieden, andere dagegen (darunter auch Deutschland). Beides widerspricht nicht den Aussagen des IPCC. Wer das also vorsätzlich konstruieren will,… führt gewiss etwas im Schilde!
Der IPCC fordert an keiner Stelle, dass Deutschland an Kernenergie festhalten oder gar Kernkraftwerke bauen muss.
Nordstream II „um Deutschland herumführen“?
Nun geht es etwas thematisch durcheinander, ich versuche das mal zu sortieren.
Zunächst stellt Vahrenholt die These in den Raum, dass man die Erdgas-Pipeline Nordstream II um Deutschland herumführen müsse, wenn man in Deutschland kein Erdgas nutzen will – was offensichtlich völliger Quatsch ist.
Ferner postuliert er, dass wir „mit dem Verbrennen des gesamten Gases dieser Pipeline 100 Mio. Tonnen CO₂ produzieren“ würden. Das Problem daran: niemand will das! Das Gas aus Nordstream II würde vielmehr an Verbraucher in ganz Europa geliefert.
CO₂-Abscheidung ist in Deutschland verboten – und das aus gutem Grund!
Vahrenholt möchte CCS (Carbon Capture & Storage, Kohlenstoffabscheidung und ‑speicherung) in fossile Kraftwerke einbauen. Das ist jedoch aus mehreren Gründen nicht sinnvoll.
Zum einen dient diese Technologie der Verlängerung der Nutzung fossiler Brennstoffe, was aus offensichtlichen Gründen nicht sinnvoll ist: wir müssen davon komplett weg!
Andererseits lässt sich damit laut Wissenschaftlern eine Abscheidungsrate von 65–80 Prozent erreichen. CCS in fossilen Kraftwerken bedeutet also nicht, dass die gesamten CO₂-Emissionen abgeschieden werden.
Im Übrigen ist die CCS-Technologie auch nicht ausgereift. Das kann man sehr schön beim Gorgon-Projekt in Australien sehen: Als Chevron die Genehmigung für seine 54 Milliarden Dollar teure Gorgon-Flüssiggasanlage erhielt, versprach das Unternehmen, 100 Millionen Tonnen Treibhausgasemissionen in einer der weltweit größten CCS-Anlagen zu speichern.
5 Jahre später, im Juli 2021, musste Chevron, das Gorgon zusammen mit ExxonMobil, Royal Dutch Shell und einer Reihe japanischer Konzerne betreibt, eingestehen, dass es die Anforderungen, 80 Prozent der in den ersten fünf Betriebsjahren anfallenden Emissionen wegzusperren, nicht erfüllt hat.
Chevron machte technische Herausforderungen und eine dreijährige Verzögerung der CCS-Operationen verantwortlich, erklärte jedoch, dass das Unternehmen mit der Injektion von 5 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent in riesige Sandsteinbecken unter Barrow Island vor Westaustralien seit 2019 einen „bedeutenden Meilenstein“ erreicht habe.
Noch ein paar Worte zum Einsatz in Deutschland: CCS werden wir in der Zukunft in nicht oder nur schwer dekarbonisierbaren Bereichen (Müllverbrennung, Zement, Chemie) gewiss brauchen. Da die Technologie aber auch Energie benötigt, ist es sinnvoll, diese erst dann einzusetzen, wenn die Stromerzeugung nahezu vollständig dekarbonisiert ist.
CCS ist also derzeit aus gutem Grund verboten. Die Technologie kann jedoch möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt sinnvoll sein.
Vahrenholt versteht den CO₂-Preis nicht
Vahrenholt konstatiert, dass sich bei einem CO₂-Preis von 195 €/t der Strompreis verdreifacht. Das ist völliger Quatsch!
Der deutsche Strompreis ist ausschließlich von Zertifikaten des EU-ETS abhängig. Der Preis für ein solches Zertifikat liegt derzeit (Mitte Oktober) bei ca. 60 Euro (Quelle). Bis hierher liegt Vahrenholt also richtig.
Wenn aber laut Vahrenholt „DIE GRÜNEN und Frau Neubauer 195 Euro pro Tonne CO₂“ fordern (Wo tun sie das? Ich kann jedenfalls keine Quelle dafür finden!), kann sich das nur auf den nationalen Zertifikatehandel beziehen. Denn nur hier wird der Zertifikatspreis von der Bundespolitik bestimmt. Der nationalen Zertifikatehandel ist im Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) geregelt und betrifft Emissionen, die eben nicht dem europäischen Emissionshandel unterliegen. Und damit hat er auch keinerlei Einfluss auf den Strompreis!
Das Umweltministerium erklärt es so:
Der im Januar 2021 neu in Kraft getretene nationale Zertifikatehandel umfasst grundsätzlich alle in Verkehr gebrachten fossilen Brennstoffe, also vor allem Benzin, Diesel, Heizöl und Erdgas. Der CO2-Preis betrifft somit insbesondere die Bereiche Wärme (Gebäude) und Verkehr. Für große Teile der Industrie und die Energiewirtschaft gibt es mit dem Europäischen Emissionshandel (EU-ETS) bereits einen Preis für den Ausstoß von CO2. Die vom ETS umfassten Unternehmen sind folglich vom nationalen Zertifikatehandel nicht betroffen.
Will man Emissionen wirklich verursachergerecht bepreisen (und was sollte bittesehr dagegen sprechen?), sind die von Vahrenholt genannten 195 €/t übrigens noch deutlich zu wenig: Realistisch erscheint laut Umweltbundesamt ein Preis in Höhe von 680 €/t.
Ein weiterer Aspekt, den Vahrenholt geflissentlich verschweigt: die meisten Parteien, die einen höheren CO2-Preis fordern, fordern gleichzeitig ein Klimageld/eine Klimaprämie. Das bedeutet, dass eingenommene Geld wird wieder ausgeschüttet, und zwar pauschal pro Kopf. Dadurch möchte man gerade die von Vahrenholt angeprangerten Zumutungen an Arbeitnehmer und Bürger vermeiden, sofern deren Emissionen auf einem normalen Niveau liegen: Wer wenig emittiert, bekommt etwas heraus. Wer viel emittiert, zahlt drauf.
Der EU-ETS-Zertifikatehandel und der nationale CO₂-Zertifikatehandel sind zwei völlig unterschiedliche Systeme und völlig unabhängig voneinander.
Verfehlte Energiepolitik
Es wäre lustig, wenn es nicht so traurig wäre! Was ich meine: das Jammern, dass Kohlekraftwerke nach dem Kernenergieausstieg weiterbetrieben werden. Wo waren denn diese Stimmen, als die Große Koalition aus CDU und SPD ab 2011 beim Ausbau der Erneuerbaren Energien massiv auf die Bremse getreten haben? Dabei ging es doch letztendlich um Protektionismus, nämlich von RWE & Co. Das können wir heute auch an vielen anderen Handlungen festmachen.
Das hat gekostet, nämlich zwischen 2011 und 2019 nachweislich 117.000 Arbeitsplätze.
Es hat zudem dazu geführt, dass heute der Ausbau von Photovoltaik- und Windenergieanlagen nicht weiter fortgeschritten ist.
Was wir heute sehen, ist also das Ergebnis der verfehlten Energiepolitik in den letzten zehn Jahren!
Der Flächenbedarf von Windkraftanlagen
Vahrenholt möchte uns einreden, dass aufgrund einer unsinnigen Flächenberechnung heute nicht 0,9% der Fläche der BRD mit WKA bebaut sind, sondern bereits 5%. Das ist einfach nur lächerlich!
Bei der Flächenberechnung im Zusammenhang mit Windenergieanlagen (WEA) legt man für jede WEA eine Ellipse zu Grunde, die aus dem 5‑fachen Rotordurchmesser in Hauptwindrichtung und dem 3‑fachen Rotordurchmesser in Nebenwindrichtung gebildet wird. Das Verfahren ist detailliert in diesem Dokument des Umweltbundesamtes beschrieben (Kap. 4.1).
Die Aussage „Heute sind 0,9% der Fläche der BRD mit Windenergieanlagen bebaut“ ist korrekt.
Strombedarf 2050
Es geht auf dem Niveau weiter: laut Vahrenholt brauchen wir gegenüber heute "die 10-fache Menge Strom" (wegen Sektorkopplung). Nun, der Stromverbrauch heute (2020) beträgt 488,4 TWh. Lt. Vahrenholt würden wir also am Ende 4.884 TWh benötigen (und deshalb 50 Prozent der Landesfläche mit Windenergieanlagen zu bauen). Ist das realistisch?
Ein Beispiel: Die Studie Wege zu einem klimaneutralen Energiesystem des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme kommt – je nach Szenario – auf einen Bedarf zwischen 1750 TWh und 2500 TWh. Andere Studien liegen zum Teil deutlich darunter. Wir benötigen also ein mehrfaches an Strom, jedoch keinesfalls die 10-fache Menge.
Bei der Sektorkopplung ersetzen wir fossile Energieträger durch Strom, also Wärmepumpe statt Öl-/Gasheizkessel, Elektroautos statt Verbrennungsmotoren, usw. Das führt zu erheblichen Effizienzgewinnen, da Wärmeverluste vermieden werden. Im Ergebnis müssen wir viel weniger Energie importieren! Zur Einordnung: Deutschland gibt heute zwischen 60 und 100 Milliarden Euro (abhängig von Marktpreisen und Strenge des Winters) für den Import fossiler Energieträger (Öl, Gas, Kohle) aus.
Durch die Sektorkopplung steigt zwar die benötigte Strommenge gegenüber heute auf das 3‑fache, der Energiebedarf insgesamt sinkt jedoch.
Verändern Windparks das Klima?
Onshore-Windparks haben einen Einfluss auf das Mikroklima (also das Klima im Windparkl selbst und in seiner unmittelbaren Umgebung). Drei amerikanische Forscher haben dazu eine Meta-Studie zusammengestellt, also zahlreiche Studien zum Thema zusammengetragen. Eine sehr gute und lesenswerte Einordnung findet sich auch hier. Die wichtigsten Takeaways:
Die Studien werden von anderen Wissenschaftler nicht als Argument gegen den Ausbau der Windkraft bewertet
In Städten ist es aufgrund der Versiegelung zwischen 0,5 und 6(!) Grad wärmer als im Umland
Kohlekraftwerke verändern nicht nur das globale Klima durch den CO₂-Ausstoß, sie verändern auch das lokale Klima und begünstigen Extremwetterlagen
Im Gegensatz zu diesen Fakten nimmt uns Vahrenholt jetzt vollends ins Reich der Märchen und Fabeln mit:
„Wir machen eine Technologie zur Bekämpfung des Klimas – und bringen die Hälfte der Erwärmung wieder zurück durch Windenergie"
Bereits dieser Satz ist pures Gold! Denn nach dieser Logik ist Vahrenholt wohl sehr nah dran am Perpetuum Mobile: Windenergieanlagen (WEA) würden demzufolge nämlich nicht nur Strom erzeugen, sondern auch noch Umgebungswärme. Das dürfte dann in toto mehr Energie sein, als dem Wind an kinetischer Energie entzogen wurde.
Aus dieser Erwärmung, in Kombination mit dem angeblichen Strombedarf (siehe oben), leitet Vahrenholt im nächsten Schritt ab, dass ein „Windpark Deutschland“ entsteht und „alle 1.000 Meter ein Windrad steht“. Sorry, was der Mann da von sich gibt, ist einfach nur peinlich!
Zur Einordnung hier mal ein Auszug aus einem Statement des KNE (Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende) zum Thema:
Aktuell vorliegende Studienergebnisse kommen zu dem Ergebnis, dass der Strombedarf im Jahr 2050 zwischen etwas mehr als dem Heutigen (rund 620 Terrawattstunden) bis zum Doppelten des Heutigen (1.000 Terawattstunden) beträgt. Dies würde bedeuten, dass zwischen 37.000 und etwa 65.000 Windenergieanlagen benötigt werden. Spekulationen und Angstszenarien von 300.000 Windenergieanlagen bis 2050 kann somit schon jetzt klar entgegengetreten werden.
Nichtsdestotrotz wiederholt Vahrenholt seinen Unsinn nochmal mit anderen Worten, wohl damit es beim Zuschauer auch hängenbleibt: „Dann haben wir im Abstand von einem Kilometer Windtürme, dann haben Sie in ganz Deutschland bis zu 0,5 Grad mehr Wärme, Trockenheit, Dürre“ – Wow, das ist ja nun nicht mal mehr Stammtischniveau!
Albert Duin erwähnt, dass WEA heute durchschnittlich 1.700 Volllaststunden pro Jahr erreichen. Das ist über den gesamten Bestand absolut korrekt.
Dies wird auch untermauert durch eine Grafik aus der Studie "Volllaststunden von Windenergieanlagen an Land" in welcher die Volllaststunden nach Anlagenjahrgängen aufgeschlüsselt sind:
Dennoch ist es nur die halbe Wahrheit: Der Wert wird zukünftig signifikant steigen. Das Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme schreibt dazu:
Einen deutlichen Kontrast zu den vom deutschen Anlagenbestand erreichten Volllaststunden bilden die erwarteten mittleren Volllaststunden der in 2018 neu errichteten WEA. Mit 2788 Stunden liegen die erwarteten Volllaststunden der neuen WEA um den Faktor 1,67 höher als das 10-Jahres-Mittel des Anlagenbestandes.
Woran das liegt, ist schnell erklärt: neuere Anlagen werden immer höher. In größerer Höhe weht der Wind konstanter. Daraus ergeben sich mehr Volllaststunden. Die größere Nabenhöhe erlaubt zudem größere Rotordurchmesser. Das führt zu einem erheblich höheren Ertrag einer WEA.
Neuere WEA erreichen eine deutlich höhere Anzahl Volllaststunden und damit einen höheren Ertrag, da sie über einen größeren Rotordurchmesser verfügen, höher sind und in der größeren Höhe der Wind beständiger weht.
Solarenergie, Speicher und Synergien im neuen Energiesystem
Tichy bringt nun Solarenergie ins Spiel, Vahrenholt stellt dazu zunächst fest, dass 25% des Stroms privat verbraucht werden, 75% Strom dagegen im Non-Residential-Bereich – das stimmt.
ABER: haben Gewerbeobjekte keine Dächer? Ergo kann man natürlich auch auf den Dächern eines großen Teils der 75% ganz vorzüglich Strom erzeugen! Und was ist mit Agri-PV (Photovoltaik über Feldern)? Auf Dächern von Parkplätzen und Verkehrswegen? Und der Hülle von Gebäuden (ja, Fassade geht heute auch!) und Fahrzeugen?
Effizienz von Energiespeichern
Danach arbeitet er sich an den Speicherverlusten ab („Sie verlieren auf dem Wege aber 2⁄3 der Energie“).
Schauen wir uns diese genau an. S&P Global Market Intelligencefasst das in folgenden Worten zusammen:
„The technology to convert power to hydrogen and back to power has a round-trip efficiency of 18%-46%, according to data that Flora presented from the Massachusetts Institute of Technology and scientific journal Nature Energy. In comparison, two mature long-duration technologies, pumped-storage hydropower and compressed air energy storage, boast round-trip efficiencies of 70%-85% and 42%-67%, respectively. Flow batteries, a rechargeable fuel cell technology that is less mature, have a round-trip efficiency of 60%-80%.“
Wir können also einerseits davon ausgehen, dass die von Vahrenholt propagierten 2⁄3 Verluste auf veraltetem Zahlenmaterial beruhen. Ich möchte aber außerdem auf den signifikant höheren Wert für Flussbatterien hinweisen. In China entsteht gerade eine solche Batterie.
Synergieeffekte nicht vergessen!
Was alle in der Runde völlig außer acht lassen, sind Synergieeffekte. Ich muss den mit Solaranlagen gespeicherten Strom nicht zwingend in der Nacht bereitstellen, sofern da der Wind weht. Das ist beispielsweise im Winterhalbjahr oft der Fall. Im Sommer weht dagegen weniger Wind, dafür ist die Anzahl Sonnenstunden/Tag höher. Sonne und Wind ergänzen sich also ganz hervorragend!
Wir sollten auf unserem Weg zu 100% Erneuerbarer Energie auch Biogas, Wasserkraft und andere Technologien nicht unberücksichtigt lassen. Das Thema wird sowohl auf globaler, auf europäischer und auch auf deutscher Ebene schon seit längerem diskutiert (SRU 2011; Henning und Palzer 2012; Jacobson u. a. 2017; Walter u. a. 2018; Bartholdsen u. a. 2019; Hainsch, Göke, u. a. 2020; Gerhards u. a. 2021). Hier ein Beispiel für eine Studie, die das Thema eingehend beleuchtet.
Es existieren zahlreiche Studien, die belegen, dass ein Energiesystem aus 100 % Erneuerbaren Energien in Deutschland aus technischer Sicht problemlos realisierbar ist. Die Frage ist also nicht mehr ob, sondern nur noch wie.
Elektromobilität
Frank Henning behauptet, dass man sich in anderen Ländern „verkalkuliert“ hat. Als Beispiele führt er Californien und Großbritannien an, wo ein neues Gesetz dafür sorgt, dass Elektroautos ab Mai 2022 zu bestimmten Zeiten nicht mehr an privaten Ladesäulen geladen werden können. Wie unsinnig dieses Argument ist, wird in diesem Beitrag sehr gut erklärt, deshalb erspare ich mir weitere Ausführungen zum Thema.
Reicht der Strom?
Und nun schlägt die Stunde von Albert Duin: 18 TWh für 10 Mio. Elektroautos: Glückwunsch, richtig gerechnet – allerdings erst in 10 Jahren! Diese 18 TWh sind noch nicht mal 4% unseres heutigen Stromverbrauchs. Der Ausbau ist dann wohl zu schaffen (für alle Neugierigen, die es ganz genau wissen wollen: Jan Hegenberg hat sich hier des Themas angenommen – auf seine unnachahmliche, sehr unterhaltsame Weise. Und sogar Vahrenholt räumt ein: „Es überrascht, wie wenig Strom man dann wirklich braucht“ – nur um dann mit dem Gleichzeitigkeitsproblem aufzuwarten, welches er anscheinend sieht: "Alle stecken dann um 17 Uhr ein, wenn sie nach Hause kommen".
Ich formuliere es mal so: wenn heute um 17 Uhr auf dem Heimweg 10 Mio. Autos an den knapp 15.000 Tankstellen in Deutschland tanken würden: wie lang da wohl die Schlangen wären?
Ein anderes Beispiel: wenn alle Menschen in Deutschland morgens gleichzeitig den Toaster und die Kaffeemaschine einschalten würden oder mittags den Elektroherd oder den Backofen, würde das deutsche Stromnetz zusammenbrechen. Nur: es passiert nie!
Weder ist der Strombedarf von Elektroautos ein perspektivisches Problem, noch ein etwaiger Gleichzeitigkeitseffekt beim Laden.
Subventionen für Elektroautos
Nun öffnet Albert Duin die Büchse der Pandora: Subventionen!
Subventionierte Elektroautos sind für ihn ein Problem? Wo war denn der Aufschrei bei der Abwrackprämie 2009 (die nachweislich für die deutsche Automobilindustrie nix gebracht hat, wie man heute weiß)? Oder bei der ebenfalls unsinnigen, gerade eingeführten LKW-Abwrackprämie (die gibt's auch für neue Verbrenner)?
Stromimporte
Frank Henning merkt an, dass es uns bei Importstrom völlig egal sei, wie der hergestellt wird. Stimmt, das kann es auch: alle anderen Länder der EU müssen – ebenso wie Deutschland – ihre Emissionen reduzieren. Das bedeutet, auch dort wird der Strom zunehmend sauberer.
Zum Thema Importstrom allgemein: bis dato exportieren wir mehr Strom (aktuell 20 TWh p.a.), als wir importieren. Dazu ein Auszug aus der entprechenden Statistik für das Jahr 2020:
Beim Außenhandel mit Strom wurden bis einschließlich Oktober 34,9 TWh zu einem Wert von 1,5 Mrd. Euro eingeführt. Die Ausfuhr
lag bei 45,2 TWh und einem Wert von 2,05 Mrd. Euro. Im Saldo ergibt sich für die ersten zehn Monate ein Exportüberschuss von 10,3
TWh und Einnahmen im Wert von 549 Mio. Euro. Eingeführter Strom kostete durchschnittlich 42,87 Euro/MWh und ausgeführter
Strom 45,27 Euro/MWh.
Grünstrom-Zertifikate
Das mit dem Zertifikatehandel für grünen Strom (ob nun aus Island oder Norwegen) stimmt leider. Ich halte das ebenfalls auch für Betrug!
Hierzu ein sehr guter Beitrag des WDR zum Thema.
Ausblick
Frank Hennig liegt da völlig richtig: wir brauchen schnellstens 30 – 40 GW Gaskraftwerke (das diese nicht sehr teuer sind, hatte ich weiter oben bereits erläutert) – und natürlich mindestens einen 3–4‑fachen Ausbau erneuerbarer Energien.
„Rationiert werden“ muss Strom m. W. nicht, aber wir brauchen Demand Side Management (DSM). Was das genau bedeutet, ist auf dieser Seite recht gut erklärt.
Das kann (und wird) sich auch über den Preis lösen. Das geht nicht nur in privaten Haushalten (die Ihre Wasch- oder Spülmaschine in Schwachlastzeiten laufen lassen, also wenn der Strom billig ist). Auch in der Industrie ist das möglich: Lager für Zwischenprodukte sorgen dafür, dass diese ebenfalls in Schwachlastzeiten produziert werden können.
Der Lastabwurf bei Aluminiumhütten ist übrigens zeitlich begrenzt (m. W. auf 3 Stunden pro Tag). Die Gefahr einer ganztägigen Abschaltung besteht also überhaupt nicht.
Unter dem Titel „Die Zukunft der Energieversorgung ist das Schlüsselthema für das ChemDelta Bavaria“ diskutierten Vertreter der Initiative ChemDelta Bavaria mit Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger und dem Vorstand der Bayernwerk AG Dr. Egon Westphal und TENNET Chief Operating Officer Tim Meyerjürgens. Weitere Einzelheiten zu der Veranstaltung können dieser Pressemitteilung entnommen werden.
Von Albert Duin wird in diesem Zusammenhang ein Strombedarf von „630 TWh pro Jahr“genannt, nur für das ChemDelta.
Es ist unklar, wo diese Zahl herkommt. Der VCI (Verband der Chemischen Industrie) hat im Rahmen einer Studie einen Strombedarf für die gesamte chemische Industrie von 680 TWh ermittelt (das sind 630 TWh mehr als heute) – wohlgemerkt, in 2050.
Zum Abschluss noch ein wenig Selbstbeweihräucherung von Duin: „Wir haben dafür gesorgt, dass…“. Ja, vieles wurde bereits errreicht. Oft, weil Verbote eingeführt wurden (Beispiele: Asbest, FCKW).
So oder so lautet nun die Herausforderung, Emissionen schnellstmöglich zu eliminieren.
Zum Thema Tagebauseen: Es mag sein, dass in irgendwelchen Braunkohlegruben heute Wasser drin ist. Wo das Wasser für die restlichen Gruben herkommen soll, ist jedoch hinsichtlich der Lausitz überhaupt nicht geklärt. Für das Rheinischen Revier ist das zwar geklärt, es dauert allerdings sehr lang.
Fazit
Das Format leidet sehr darunter, das diese „Expertenrunde“ eben nicht aus Experten besteht. Daraus resultieren dann auch die aufgezeigten Falschbehauptungen, Halbwahrheiten und Ungenauigkeiten. Aber genau so erwartet man es auch von einem Stammtischgespräch, nicht wahr!?
Wie vermessen muss man eigentlich sein, um ein wissenschaftliches Thema mit Nicht-Wissenschaftlern erörtern zu wollen? Aber um eine sachliche, korrekte Darstellung und Aufklärung seines Publikums geht es Roland Tichy auch gar nicht. Sein Fokus liegt ganz offensichtlich auf dem Diskreditieren der Energiewende. Das Traurige daran: bei seiner üblichen Klientel verfängt das vermutlich sogar.
Link zum Video
Wer das YouTube-Video mit eigenen Augen sehen möchte: Bitte hier entlang.
Update vom 12. Oktober 2021
Link zum Video ans Ende des Beitrags verschoben
Erläuterung des Begriffs Volllaststunden eingefügt (Tooltip)
Abschnitt „Vahrenholt versteht den CO₂-Preis nicht“ überarbeitet (verständlicher formuliert)
Link zum BEHG
Update vom 14. Oktober 2021
Ausführungen zu klimawandelbedingten Leistungseinschränkungen und Abschaltungen von Kernkraftwerken präzisiert
Die Nationale Wasserstoffstrategie wirft einige Fragen auf.
Ich bin diesen nachgegangen und habe versucht Antworten zu finden.
Am Ende meiner Recherche habe ich jedoch immer noch Fragen – und mehrere Handlungsempfehlungen.
Außerdem habe ich für Euch die Fahrtkosten verschiedener Antriebssysteme miteinander verglichen.
https://www.itcv-software.com/wp-content/uploads/2020/06/AdobeStock_279824174-scaled.jpeg17452560Jürgen Voskuhl/wp-content/uploads/2018/11/Logo_itcv_claim.svgJürgen Voskuhl2020-06-15 18:30:392021-02-09 18:26:40Die nationale Wasserstoffstrategie: Fragen und Anmerkungen
Die Energiewende ist der Dreh- und Angelpunkt, wenn es um den Erfolg oder Misserfolg bei der Bewältigung der Klimakrise geht. Gemeinsam mit Dir können wir den vom Bundeswirtschaftsministerium vorgelegten Entwurf für die Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG-Novelle 2021) verhindern. Denn dieser reicht bei Weitem nicht aus, um die dringend notwendige Energiewende voranzutreiben. Unter anderem werden erneut der beschleunigte Ausbau der Erneuerbaren Energien und Investitionen in nachhaltige Technologien sukzessive ausgebremst.
Eine erfolgreiche Energiewende kann es nur mit einer dezentralen Bürger:innenenergie geben. Insbesondere Bürger:innen tragen heute schon allerorts in Deutschland zur Energiewende mit PV-Kleinanlagen bei. Mehr als ein Drittel aller Eigentümer:innen von Erneuerbaren Energie-Anlagen sind Privatpersonen, die auch bereit sind, das Potenzial der Erneuerbaren Energien weiter auszuschöpfen. Alle Forderungen dazu findest Du hier.
Die Novelle soll noch in diesem Jahr verabschiedet werden. Doch noch ist es nicht zu spät, um das EEG zu retten! Wir können die Parlamentarier:innen umstimmen. Es liegt an jeder:m Einzelnen von uns, die Bundestagsabgeordneten an das Versprechen aus dem Pariser Klimaabkommen zu erinnern. Fordern wir sie auf, uns und den nachfolgenden Generationen eine klimasichere Zukunft zu ermöglichen – auch dank eines starken EEGs!
Wie das geht? Mach mit bei der Aktion von GermanZero und schreib Deinen Bundestagsabgeordneten hier eine Mail.
Eigentlich ist die Sache so einfach wie klar: Um die Auswirkungen den menschengemachten Anteils am Klimawandel zu minimieren, müssen wir sämtliche fossilen Brennstoffe im Boden lassen. Und das besser schon ab heute als ab morgen. Warum ist das also nicht schon längst passiert? Und wie können wir dafür sorgen, dass es passiert?
Die Fachwelt ist sich einig: Batterieelektrische Autos sind über ihre gesamte Lebensdauer deutlich weniger klimaschädlich als ihre Verbrenner-Pendants. Die Reichweiten der Batterien werden immer größer, ihre Haltbarkeit immer länger.
Erst vereinzelt, in den letzten beiden Monaten aber quasi in einer „konzertierten Aktion“ kommen verschiedene Protagonisten um die Ecke, die das Gegenteil behaupten. Da sind plötzlich Dieselautos emmissionsärmer als Elektroautos, wahlweise ist auch synthetischer Kraftstoff das Allheilmittel.
Was ist da los? Und vor allem: Welchem Zweck dient das?
Es ist wieder soweit: Jedes Jahr Mitte Oktober lesen wir überall, dass die Strompreise steigen werden und die erneuerbaren Energien, beziehungsweise die deswegen erhobene EEG-Umlage daran Schuld ist. Aber stimmt das eigentlich? Erfahren Sie in diesem Beitrag, warum die EEG-Umlage wirklich steigt und wer daran Schuld hat.
https://www.itcv-software.com/wp-content/uploads/2019/10/Entwicklung-EEG-Umlage_Erloese-ab-2000.png12021851Jürgen Voskuhl/wp-content/uploads/2018/11/Logo_itcv_claim.svgJürgen Voskuhl2019-10-15 12:49:502020-08-04 09:54:07EEG-Umlage: So führen uns die Regierung, die Stromlobby und industrielle Verbraucher an der Nase rum!
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