Mobilität: Förderung sinnvoll einsetzen!
Zuletzt aktualisiert am 1. Mai 2020 durch Jürgen Voskuhl
Volkswagen und BMW haben zusätzliche staatliche Zuschüsse für den Autokauf vorgeschlagen, ausdrücklich auch für "sauberere" Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Auch Stimmen aus der Politik fordern eine solche Prämie. Das ist jedoch der falsche Weg! Sinnvoller ist ein Konjunkturprogramm für innovative Mobilität.
Ein Blick in die Vergangenheit
Ich bin ein Kind des Ruhrgebiets. geboren in den 60ern. Nur zu gut kann ich mich an das Zechensterben und den Niedergang der Stahlindustrie erinnern. Damals hat man versucht, Arbeitsplätze durch staatliche Subventionen zu retten. Heute wissen wir, dass dies nur für eine begrenzte Zeit funktioniert und mehrere Hundert Milliarden Euro gekostet hat.
Ebenso gilt dies für die Stahlindustrie im Saarland. Auch hier darf man getrost von einem dreistelligen Milliardenbetrag an Subventionen ausgehen – bisher, denn der verbliebene Teil der saarländischen Stahlindustrie ruft aktuell ebenfalls nach Subventionen.
Eine uralte Weisheit der Dakota-Indianer besagt: "Wenn Du entdeckst, dass Du ein totes Pferd reitest, steig ab". Und das bringt es auch in diesem Fall auf den Punkt: Es darf nicht um das Festhalten an Bekanntem und in der Vergangenheit(!) Bewährtem gehen, wir müssen unbedingt nach vorne schauen!
Die Subventionierung der Montanindustrie hat die Neuorientierung hinausgezögert. Sie war deshalb kontraproduktiv.
Ich habe gegen Ende der 80er als frischgebackener Programmierer insgesamt circa 30 Bewerbungen geschrieben. Davon war genau eine(!) an ein Unternehmen im Ruhrgebiet gerichtet.
Die anderen 29 gingen nach Frankfurt, Stuttgart oder München. Nicht, weil ich unbedingt in die Welt hinausziehen wollte: Der Grund war einfach, dass zu dem Zeitpunkt entsprechende Jobs nur dort zu finden waren.
Dieser Sachverhalt macht deutlich, was das Festhalten an aus der Vergangenheit Bekanntem bewirkt: Es behindert einen notwendigen Umbau. Der Umbau ist aber zwingend erforderlich – ob früher oder später. Und "später" macht es eher schwieriger!
Ein Konjunkturprogramm mit verheerendem Ergebnis: Die Abwrackprämie
Ein anderes Beispiel aus der Vergangenheit, diesmal sogar aus der Automobilindustrie, zeigt sehr schön, das Kaufprämien im Ergebnis nichts bringen: die Rede ist von der Abwrackprämie, welche Anfang 2009 vom Bundeskabinett beschlossen wurde.
Heute wissen wir, dass viele Käufer den Neuwagenkauf deswegen lediglich vorgezogen haben (ein Sachverhalt, den Renate Künast von Bündnis 90/Die Grünen bereits vorhergesagt hatte). Die Umsätze fehlten dann in 2010, beziehungsweise 2011. Entsprechend haben sich übrigens auch die Steuereinnahmen entwickelt: auf das Plus aus 2009 folgte ein Minus aus 2010 und 2011.
27 Millionen Steuerpflichtige haben zwei Millionen Autokäufern 2500 Euro geschenkt.
Letztendlich war die Abwrackprämie eine gigantische Umverteilung.
Für weitere Einzelheiten zur Abwrackpämie empfehle ich Martin Seiwert's Artikel dazu in der Wirtschaftswoche.
Was bringt die Zukunft?
Aufgrund der beschriebenen Erfahrungen in der Vergangenheit erscheint es mehr als sinnvoll, einen Blick in die Zukunft zu werfen, bevor man "Business as usual" subventioniert.
Die Zukunft ist in jedem Fall emissionsarm!
In Ihrem Klimaschutzplan 2050 (hier die Zusammenfassung) legt die Bundesregierung für den Sektor Verkehr bereits für 2030 eine Minderung der CO2-Äquivalente um 42 – 40% (gegenüber dem Stand 1990) fest. Verbrennungsmotoren, die mit Benzin oder Diesel angetrieben werden, stehen diesem Ziel offensichtlich im Weg. Die Alternative dazu sind BEV, also batterieelektrische Fahrzeuge, oder FCEV: Fahrzeuge, die von einer Brennstoffzelle angetrieben werden.
Hierbei handelt es sich jedoch in beiden Fällen um Technologien, bei denen die deutschen Autobauer auf dem Weltmarkt derzeit nicht unbedingt zu den Markt- und Technologieführern gehören: Toyota hat bereits seit über 20 Jahren Erfahrungen mit dem Hybridfahrzeug Prius gesammelt. Hyundai ist schon 2013 mit einem FCEV angetreten, Toyota folgte 2015 mit dem Mirai.
Bei rein batteriebetriebenen Modellen ist Tesla mit dem Model 3 heute unangefochtener Marktführer. Modelle Deutscher Hersteller spielen unter den Top 10 keine Rolle.
Wie man der Liste ebenfalls entnehmen kann, gibt es im Bereich batterieelektrischer Fahrzeuge einige neue Player. Die etablierten Hersteller sind also nie dagewesenem Wettbewerb ausgesetzt.
Wie schon die Abwrackprämie 2009 käme die von der deutschen Automobilindustrie und der Politik geforderte Kaufprämie vor allem ausländischen Herstellern zugute!
Verkehrswende bedeutet vor allem: Weniger Autos
Staus, schlechte Luft und fehlende Radwege: darüber ärgern sich besonders in den Städten viele Menschen. Wie lässt sich hier Abhilfe schaffen?
Der motorisierte Individualverkehr muss aus den Innenstädten rausgehalten werden.
Die naheliegende Lösung: der motorisierte Individualverkehr muss möglichst aus den Innenstädten rausgehalten werden. Das vermeidet Staus, die Luftqualität verbessert sich. Und es schafft Platz für Verkehrskonzepte, in denen Fußgänger und Radfahrer (auch Lastenräder!) gleichberechtigt neben dem Auto sind.
Dies setzt natürlich auf der anderen Seite einen massiven Ausbau den öffentlichen Nahverkehrs voraus, wie er auch von verschiedenen Parteien und Organisationen wie zum Beispiel dem gemeinnützigen Verein GermanZero gefordert wird.
Der Ausbau des ÖPNV, die wachsende Anzahl an Car-Sharing-Modellen, disruptive Technologien wie das autonome Fahren und die sich aus all diesen Veränderungen ergebende Möglichkeit der Integration verschiedenster Fortbewegungsarten werden zu neuen Mobilitätslösungen führen: Mobility-as-a-Service.
Immer weniger Menschen werden bereit sein, sich ein eigenes Auto anzuschaffen, welches die meiste Zeit ohnehin nur herumsteht
Als Folge davon werden zukünftig immer weniger Menschen bereit sein, sich ein eigens Auto anzuschaffen, welches die meiste Zeit ohnehin nur herumsteht.
Unter anderem sieht dies der Think Tank Agora Verkehrswende so oder auch der Mobilitätsforscher Prof. Andreas Knie, der von einer Halbierung des jetzigen Fahrzeugbestands ausgeht.
Und die Umwelt?
Natürlich ist es begrüssenswert, wenn ein Auto emissionsfrei oder zumindest emissionsarm fährt.
Allerdings wird hierbei gerne vergessen, dass bereits die Produktion eines Autos Ressourcen verbraucht und Emissionen erzeugt. Einer LowCVP-Studie zufolge erzeugt die Produktion eines Kraftfahrzeugs mit Batterieantrieb bereits über 8 Tonnen CO2e. Dies überwiegt bei weitem die erzielbare Einsparung!
Jedes Auto, das nicht gebaut wird, bringt uns der Einhaltung des Paris-Abkommens ein Stück näher
Ein wichtiger Aspekt ist auch das sogenannte Restbudget. Es drückt die Menge an CO2-Equivalenten aus, die zur Erreichung eines bestimmten Klimaziels noch emittiert werden darf.
Für Deutschland hat der Sachverständigenrat für Umweltfragen ein Restbudget ab 2020 in Höhe von 6.600 Millionen Tonnen CO2e ermittelt, um die globale Erwärmung mit 67%-iger Wahrscheinlichkeit auf 1,75 Grad zu begrenzen.
Auch vor diesem Hintergrund besteht also kein Grund, einen erheblichen Teil des Restbudgets für die Produktion neuer Fahrzeuge zu verschwenden.
Fair geht vor
Wenn also die Produktion von Automobilen und deren Betrieb ressourcenfressend und umweltschädlich sind, wäre es da nicht fair, wenn man ressourcenschonendere und unweltfreundlichere Mobilität mindestens ebenso fördert?
Warum nicht eine BahnCard 50 kostenlos für alle, die sich in den nächsten 3 Jahren kein Auto kaufen? Oder eine Fahrradprämie für die Anschaffung eines E‑Bikes oder Lastenfahrrads?
Unterm Strich bleibt festzuhalten:
- Für die Anschaffung eine E‑Autos existiert bereits ein Förderprogramm.
- Abgesehen von den Interessen der Automobilhersteller (Verkauf von Neufahrzeugen) ist kein Grund für zusätzliche Fördermaßnahmen (wie zum Beispiel die von Volkswagen, BMW und den Ministerpräsidenten Söder und Weil vorgeschlagene Förderung) erkennbar.
- Sogar das Gegenteil ist der Fall: Jedes produzierte Neufahrzeug schadet der Umwelt erheblich und wird im Hinblick auf die anstehenden Veränderungen im Bereich der Mobilität in wenigen Jahren nicht mehr benötigt.
Förderung ja – aber bitte sinnvoll
Ich plädiere daher für ein Konjunkturprogramm für innovative Mobilität!
Die nachfolgende Liste enthält einige Maßnahmen in diesem Sektor, welche ebenfalls der deutschen Wirtschaft zu gute kommen:
- Beschleunigung von Aus- und Neubau des öffentlichen Nahverkehrs
- Mehr und vor allem sicherere Radwege, zum Beispiel baulich getrennte Radwege an Hauptverkehrsstraßen
- Förderung innvovativer Mobilitätslösungen wie etwa Jelbi in Berlin oder der Schaeffler Mover
- Förderung umweltfreundlicher Mobilität wie oben beschrieben (kostenlose BahnCard50, Fahrradprämie)
Was ist Eure Meinung dazu? Habt Ihr weitere Vorschläge? Dann einfach unten die Kommentarfunktion nutzen! Ich freue mich auf Eure Kommentare.